Philharmoniker Brünn gelungener Start in die neue Saison

Xl_27ab7a66-3de5-4595-8d99-3edabb1954cd © Philharmonie Brünn
Die mährische Hauptstadt Brünn war und ist ein Wirtschafts- und Kulturzentrum. Grosszügig ist die Altstadt mit imposanten Palais durchzogen, elegante Einkaufsstrassen und ein grosser Marktplatz dokumentieren die wirtschaftliche Prosperität. Lang und vielseitig ist auch die musikalische und kunsthistorische Geschichte und das Leben der Stadt. So wird das kulturelle Erbe gepflegt und gefördert. Die Philharmonie Brünn ist das Traditionsorchester der Stadt, 1870 wurde es als tschechisches Symphonieorchester als Ausdruck der nationalen Bewegung gegründet, 1956 ging die gegenwärtige Philharmonie aus der Fusion des Rundfunkorchesters mit dem städtischen Symphonieorchester hervor. Ein ambitioniert geplanter Neubau eines Konzertsaales bis 2022 für 1300 Besucher soll dem Orchester und musikbegeisterten Publikum eine neue Heimat mit ausreichend Platz geben. Der in die Jahre gekommene Konzertsaal des Brünner Musikverein für 700 Zuhörer und kleinem Podium ist für die stark wachsende Stadt zu klein geworden. Derzeit spielt man im Ausweichquartier, einem ehemaligen Kino- und umgewandelten Mehrzwecksaal am Rande der Altstadt. Über eine breite Treppe gelangt der Konzertbesucher in ein grell ausgeleuchtetes frisch weiss getünchtes Foyer. Schwingtüren mit runden Bullaugen führen in den eng bestuhlten lang gestreckten Saal. Viel Raum nimmt das Podium für das gross besetze Orchester ein. Durch den Mittelgang im Saal tritt das Orchester an den Publikumsreihen entlang schreitend auf das Podium. Zur Saisoneröffnung heissen die junge Bürgermeisterin und die Konzertmanagerin Musiker, Dirigenten und Publikum herzlich willkommen. Denniss Russell Davies wurde in den USA geboren verbrachte aber den Grossteil seiner Karriere in Europa. Nach Stationen u a in Stuttgart, Wien, Basel und dem benachbarten Linz ist er seit 2018 Chefdirigent des Orchesters in Brünn. Mit Johannes Brahms erster Symphonie in c-moll beginnt er das Eröffnungskonzert. Un poco sostenuto Allegro steht über den ersten Satz. "Ein wenig getragen" wird hier zu einem ausufernden düster gehaltenen langsamen Stimmungsbild, welches weniger das Naturempfinden als inneren Gefühlsverzehr zum Ausdruck bringt. Der volle Streicherklang wird matt gestaltet, eine Schwere drückt auf die Bläser. Auch im zweiten Satz überwiegt majestätisch grosse Gelassenheit. Erst in den beiden letzten Sätze wird schwungvoll locker, spielerisch im Ansatz musiziert und das Orchester kann auch heitere Farben und vollen romantischen Klang bilden. Empfindsam baut das Orchester an den Steigerungen, die Motivwiederholungen bleiben isoliert vom Gesamten. Ein kühler norddeutscher Brahms wird hier vorgestellt, der wenig mit dem charmanten wienerisch eingefärbten Romantiker zu tun hat. Nach der Pause gibt es ein Wiedersehen mit Elisabeth Leonskaja am Flügel und Bela Bartoks drittes Klavierkonzert wird zum explosiven freundschaftlich komponierten Zweikampf zwischen Solistin und Orchester. Dieses als Geburtstagsgeschenk an seine Frau, der Pianistin Ditta Pasztory komponierte Werk steht im klaren Gegensatz zu den beiden Vorgängerkonzerten und blieb durch den frühen Tod des Komponisten unvollendet. Sein Schüler Tibor Serly fasste die Skizzen der letzten 17 Takte zusammen. Impulsiv umfasst derSolopart viele schreitende Akkordfolgen, expressive Dissonanzen werden mit impressionistischen harmonischen Bildern in Einklang gebracht. Traditionelle Melodien und auch asiatisch anmutende Harmonien finden Eingang. Die russisch georgische Pianistin kennt den Umgang mit technisch anspruchsvollen, an den Harmonien reissenden Werken. Kräftig schlägt sie die Akkorde an, zerlegt die Läufe spitzfindig, pflügt immer wieder romantische Ansätze der Melodien mutig auseinander. Ihre Interpretation entwickelt Spannung, dem Orchester gibt sie Tempo und Lautstärke vor, ohne eine Dominanz anzustreben. Russell Davies folgt ihr, die Orchesterbegleitung im Werk ist reduziert, dafür geben Zwischenspiele ausreichend instrumentale Ausdruckskraft. Dem begeisterten Publikum dankt die Pianistin mit einem Werk von Schubert als Zugabe. Dennis Russell Davies setzt sich für zeitgenössische Werke und Komponisten ein. Auch in diesem Konzert stellt er eine zeitgenössische Komposition des Japaner Joe Hisaihi mit dem Titel Da.Ma.shi.e.vor. Mit Filmmusiken ist er berühmt geworden, in vertrauter traditionelle Harmonie ausreizender Klangwelt ist auch dieses Werk gestaltet. Es gleicht dem Bolero, in den Streichern wird unaufhörlich dasselbe Motiv wiederholt, teils mit dramatischer Steigerung in Volumen und Tempo. Die anderen Instrumentengruppen bauen darüber ein Gebäude aus melodiösen Spielen, die wieder zusammenfallen. Das Werk strebt unaufhörlich nach vorne, treibt die Spieler fühlbar an, ein Ausbruch scheint unvermeidbar und dann einfach nur Stille und Ende. Standing Ovation für die Musiker, die an diesem Abend ihr hohes Niveau und breite Interpretationskunst zur Schau stellten. | Drucken

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