Petrenko rettet zerfranste Inszenierung ohne Schatten in Baden Baden

Xl_2acac147-d998-494a-8b3a-84d323dbe063 © Sigmund Rittershaus

Richard Strauss Die Frau ohne Schatten Festspielhaus Baden Baden 9.4.2023

 Petrenko rettet zerfranste Inszenierung ohne Schatten in Baden Baden

Immer wieder wird diese vierte Oper mit der genialen Handschrift des Duos Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, Die Frau ohne Schatten auch die Zauberflöte des 20. Jahrhunderts  genannt. Zwei Paare müssen die Prüfungen des Lebens bestehen, eine Märchenwelt charakerisiert mit Symbolen und Chiffren mit erlösendem Wunder am Ende.

Der Zauberflöte widmete sich die Regisseurin Lydia Steier mehrmals mit nur mäßigem Erfolg in Salzburg. Ähnlich wie dort entwickelt sie auch in Baden Baden eine eigene Rahmengeschichte mit einer zusätzlichen Person auf der Bühne. Dort liest der Großvater den drei Jungen das Märchen vor, hier erleben wir die Traunphantasie eines Mädchens im Nonnenpensionat (überzeugend die 14 jährige Vivian Hartert). Wie weit hier eigene sexuelle Erfahrungen oder gar Traumata einer frühen Mutterschaft eine Rolle spielen bleibt unklar. Die wachende Nonne wird zur Amme, der Bote Keikobads entsteigt der Standfigur als hl Georg. Der graue Schlafsaal öffnet sich in die Traumwelt des Mädchens. Der Kaiser bricht im Frack zur Jagd auf, der rote Falke landet auf einer breiten Treppe, über die auch die Kaiserin herabsteigt, varietehaft im langen weisse Kleid mit Puffärmel und Rockbordüre (Kostüm Katharina Schlipf). Originell ist noch die Idee, das Haus des Färbers zur pinken Puppenfabrik zu machen, (Bühne Paul Zoller) buntes Treiben im Stile der 60iger. Im dritten Akt ist der Amerikanerin dann nichr mehr viel eingefallen oder positiv gesprochen die Phantasie durchgegangen. Die Handlung der Oper verliert sich immer mehr in optischer Überfrachtung. Figuren oder Gegenstände werden ständig auf die Bühne geschoben, die schönsten und intimsten Momente gehen im Getümmel unter. Die Gottesmutter bietet ihren blanken Busen als Tränke an, zu der das Mädchen hochklettern muss. Eine barocke Heiligengruppe kommt ebenso vorbei, wie der bereits bekannte Bote. Immer mehr nimmt die stumme Rolle des jungen Mädchens mit ihrer Geschichte Raum ein. Im Schlussbild wühlt sie hysterisch in Erdhäufen (sucht sie das Grab ihres Kindes?), während die Sänger von der Bühne gedrängt werden und am Rand ihren Schlussjubel wenig mitreissend zum Besten geben.

Wiederum kann die Regiearbeit von Lydia Steier nicht überzeugen. Indem sie die ohnehin herausfordernde Komplexität der Handlung durch zusätzliche Figuren steigert, beansprucht sie viel zusätzliche Statisten und Aufwand ohne einen szenischen Mehrwert zu liefern. Die menschliche Botschaft der beiden Schöpfer verliert sich in neuen Fragen.

Es bleibt so sein Abend. Kirrill Petrenko steht am Pult der Berliner Philharmoniker. Mit seiner epochalen Klanggewalt und souveränen Führung des riesengroßen Orchesters schafft er ein unvergessliches Erlebnis. Die Berliner Philharmoniker musizieren in höchster Qualität und Intensität. Jeder Takt bekommt gefühlt seine Beachtung, die feinen transparenten Soli treffen auf dominant aber nicht wuchtige romantische Entladungen. Für die Sänger schafft Petrenko Raum, stützt sie und hüllt ihre dramatischen wie lyrischen Momente ein. Bemerkenswert geht er mit Phonzahl und anspruchsvollen Tempi um, nie an Limits zu gelangen.

Die Sängerbesetzung ist ausgewogen und solide. Wolfgang Koch ist ein international gefragter Barak, stellt diesen sicher in diese wirre überaktive Inszenierung. Leider widmet die Regisseurin seiner große Arie „Dir anvertraut „ nur wenig Beachtung, sodass gerade dieser zarte menschliche Moment in einer Massenszene untergeht. Miina-Liisa Värelä singt die Färberin in allen Lagen präsent und ohne Makel, im Spiel setzt sie wenig Akzente. Elza van den Heever, mit blonden Haar und üppigem Kostüm ist eine märchenhafte moderne Kaiserin, abgehoben vom Umfeld. Schön und ausgeglichen singt sie in der Mittellage, in der Höhe mischt sich eine dunkle gedrängte Färbung. Clay Hilley wirkt weniger hoheitsvoll als Kaiser in weißem oder schwarzem Frack, seine Tänzereien passen ihm nicht wirklich und seine stimmlichen Unsicherheiten mit schlechter Verständlichkeit schmälern seine Leistung weiter. Michaela Schuster ist weltweit gefragt und erfolgreich als Amme. Ihre klanglich ausgereizten Höhen sind durchdringend, bewusst setzt sie auf wuchtig dramatische Töne, stimmlich werden die Grenzen weiter hörbar.

Der Chor des Nationalen Musikforums Wroclaw und der Cantus Juvenum Karlsruhe fügen sich prächtig in die Klangwelt und spielerisch sehr gut in die Inszenierung ein.

Jubel und stehende Ovationen besonders für Dirigent und Orchester.

Dr. Helmut Pitsch

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