Peter Grimes' Gefühle gehen im Gemenge in München unter

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Benjamin Britten Peter Grimes Bayerische Staatsoper 27.9.2022

Peter Grimes' Gefühle gehen im Gemenge in München unter

Beklemmend hart und sozialkritisch ist der Inhalt dieser ersten Oper des bedeutendsten britischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Selbst ein gejagter Außenseiter auf Grund seiner sexuellen Orientierung hat er die Insel mit seinem Lebenspartner verlassen. Die Geschichte vom Sonderling, dem Fischer Peter Grimes in einem kleinbürgerlichen dörflichen Umfeld an der ostenglischen Küste zeigt die direkte unbarmherzige Konfrontation Individuum und Kollektiv. Britten verarbeitet in dem Stoff eigene Erfahrungen mit drakonischeb Prügelstrafen in seiner Erziehung, denen er sich als Sprecher der Schülergemei schaft widersetzte. Die möglichen Denkansätze zu Homosexualität in der Handlung versucht er zu unterbinden. Der Fischer Peter Grimes ist getrieben von seiner Hoffnung auf den großen Fang und Reichtum, um seine Liebe, die Lehrerin Ellen Orford zu heiraten. Zur Unterstützung nimmt er Waisenknaben als Lehrlinge auf. Nach zwei tödlich endenden Vorfällen mit den wehrlosen Kindern ist er der Hetze und Gewalt der biederen nach Rache gierenden Dorfbevölkerung ausgesetzt. Um der Lynchjustiz zu entgehen sucht er den Freitod auf der offenen See.

Stefan Herheim setzt in seiner Inszenierung auf die Wucht der Dorfgemeinschaft in  Massenszenen. Der bestens vorbereitete Chor der bayerischen Staatsoper kann hier mit Stimmkraft und Spiel punkten. Im Bühnenbild von Silke Bauer befinden wir uns über dem gesamten Abend in einem multifunktionalen hell getäfelten Raum mit in der Höhe beweglichen  Deckengewölbe. So erleben wir eine Gerichtsszene, eine Messe, Theater und immer wieder den Blick auf das weite dunkle Meer. Dazu hat sich Herheim eine üppige Personenregie ausgedacht, die viel Unruhe und wenig Intimität zulässt. Dabei sind gerade die scharf zeichnenden Szenen rund um den Gemütszustand des Fischers und seine Beziehung zu Ellen Orford, die für ihn kämpft oder auch den Jungen wesentlich für die Wirkung der Oper.

An der Spannung arbeitet mit Eifer und kernigem Taktschlag Erik Nielsen. Er setzt auf zackige Rhythmik und scharfe Fermate mit beklemmenden Ruhepausen. Er forciert auch das Volumen in den Chorszenen. Volle Phonzahl an der Rampe und dann geht im Saal das Licht aus. Das wirkt, es knistert im Zuschauerraum.Ebenso genau arbeitet er die Themen und Melodien in den zahlreichen Orchesterpassagen transparent heraus.

Lokalmatador Jonas Kaufmann singt nun den Titelhelden nach Wien in seiner Heimatstadt. Auch hier gelingt ihm eine feinfühlige Auseinandersetzung mit dem in der Regie gezeichneten Rollenbild. Stimmlich bleibt er sehr verhalten,  seine feinen Piani kommen auf der vollen hektischen Bühne nicht zur Geltung und dramatisches Forte spart er auf. In den Höhen zeigt er Mühen. Jung und frisch wirkt der Sopran von Rachel Willis-Sørensen als die Lehrerin Ellen Orford, die sich schützend vor die Schwachen stellt, ihrem Freund und insbesondere liebevoll um die Lehrjungen. Mit viel Gefühl und der richtigen FarbmIschung gelingt ihr eine sehr überzeugende Darstellung. Christopher Purves steht mit kräftigen Bariton als Captain Balstrode dem Sonderling bei. Susan Bickley leuchtet mehr mit ihrem bunten Outfit als nuanciertem Gesang. Witzig frech und kess Lindsay Ohse und Sarah Gilford als erste und zweite Nichte.

Markig wird Peter Grimes am Ende auf seine letzte Fahrt geschickt, das Orchester blüht nochmals auf bis am Ende zwei Dorfbewohner den Vorhang zuziehen.

Viel und langanhaltender Applaus im nahezu ausverkauften Haus.

Dr. Helmut Pitsch

Peter Grimes - Bayerische Staatsoper (2022)

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