Passion bildgewaltig als szenische Prozession in Stuttgart umgesetzt

Xl_44d114e5-193c-4a98-bba5-d72a8eea8606 © Staatsoper Stuttgart Mathias Baus

 Johann Sebastian Bach Johannes Passion Staatstheater Stuttgart 7.4.2023

Passion bildgewaltig als szenische Prozession in Stuttgart umgesetzt

Zur Osterzeit wartet das Staatsoper Stuttgart mit einer ungewöhnlichen Neuinszenierung auf. Ausgewählt wurde ein salkrales Werk des geoßen, vielleicht größten Deutschen Komponisten, der wie kein anderer die Musikgeschichte beeinflusst hat. Johann Sebastian Bach hat keine Opern geschrieben aber seine Passionen beinhalten umfangreiche Handlungsinhalte und beschreiben verschiedenartige Szenen und Protagonisten, umso packender und theatralischer sind seine für die große Karfreitagsmusik entstandenen Passionen, dem höchsten protestantischen Feiertag. Schon zu seinen Lebzeiten wurden diese Werke als geistliche Opern eingestuft. Nur schlüssig dass die Stuttgarter Oper den Theaterregisseur Ulrich Rasche mit der Inszenierung der Johannes Passion beauftragte.

Düster und behäbig schreitet der Chor gegen die langsame Drehbewegung der Bühne. Den gesamten Abend laufen die Protagonisten gegen diese an, so entsteht eine ständige Vorwärtsbewegung, die auch der Handlungsablauf vorgibt. Wir erleben die Stationen der Leidensgeschichte Jesu in ständig wechselnden Räumen und werden durch die Bewegung als Betrachter mit in den Sog der sich steigernden Tragödie geschickt mit hineingezogen. Dazu lässt Rasche immer wieder von oben große Quader herunter, von innen in unterschiedlichen Farben beleuchtet. Sie dienen auch als Projektionsfläche für schwarz weiße Videoinstallationen und gestalten so immer wieder intime Räume auf der großen leeren Bühne. Die Kostüme sind schlicht, alle tragen weite Hosen um die Hüfte gebunden, die Farben sind gedeckt hell bis dunkelgrau, der Erzähler in schwarz.

Es gibt wenig Interaktion zwischen den Handelnden. Der Chor wird auf seine Rollen als Jünger, Gefolgschaft Jesu und das Volk der Juden aufgeteilt. Bemerkenswert ist das veränderte Hörerlebnis. Zumeist wird dieses bekannte Werk in Konzertsälen oder Kirchen aufgeführt, Chor Solisten und Orchester nah beisammen. Durch die durchdringende szenische Erfassung der Handlung, die bohrende Bewegung der Sänger, die auch immer wieder aus dem Off erscheinen entsteht eine Weite und Farben- sowie Gefühlsvielfalt des musikalischen Klanges.

Lebendig werden die Worte des Evangelium, die Moritz Kallenberg in seiner Rolle als Evangelist mit großer Wortdeutlichkeit und Mimik noch verstärkt. Trocken, scharf und präzise formt seine Stimme die Töne und steigert so die Dramatik. Pawel Konik verkörpert mit Würde und Pathos Jesu und seine Leiden. Es gelingt ihm eine übergeordnete höhere Ebene jenseits dieser Welt für sich aufzubauen. Andreas Wolf schlüpft mit Gespür in die Rollen von Petrus und Pilatus. Sein Bassbariton intoniert mit Fülle bei klarer heller Wärme. Fanie Antonelou übernimmt die Sopran Soli in Jesu Gefolgschaft, stimmlich sicher aber mit geringerem Ausdruck. Dies gelingt mit Eindringlichkeit Alexandra Urquiola als Alt in Jesu Gefolgschaft.

Lyrisch mit beklemmender Färbung überzeugt Charles Sy in seinem Jesu Gefolgschaft Tenorsolo. Johannes Kammler rundet die erstklassige Sängerleistung als Bariton in Jesu Gefolgschaft ab. Alle musikalischen Fäden verknüpft Christopher Schumann vom Dirigentenpult aus. Er führt das Staatsorchester Stuttgart und den famos einstudierten Staatsopernchor Stuttgart mit biblischer Überzeugung und Heilsbotschaft durch die barocke Klangwelt.

Großer Jubel nach Momenten der mystischen sakralen Ruhe im Haus.

Dr. Helmut Pitsch

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