Parsifal als Familienaufstellung in Glyndebourne

Xl_a7b66504-9bef-43bd-9c03-b65cef40a245 © Robert Hubert Smith

Richard Wagner Parsifal Glyndebourne Festival 17.5.2025

Parsifal als Familienaufstellung in Glyndebourne

Ein blühender Garten, weidende Schafe im Sonnenschein, das elegante Publikum schreitet bepackt mit Picknick Körben oder Leiterwagen ziehend Richtung Opernhaus. Inmitten der parkähnlichen englischen Landschaft liegt das Landgut Glyndebourne, das für Opernliebhaber eine besondere Attraktion mit diesem beruhigenden stilvollen Ambiente ist. Seit über 90 Jahren und mittlerweile über 30 Jahre im neu errichteten Theater, finden hier alljährlich ausgewählte Opernaufführungen auf höchstem internationalem Niveau statt. Richard Wagners letztes Werk Parsifal ist die diesjährige Neuinszenierung und die erste Aufführung der Oper überhaupt bei den Festspielen. Die vielbeschäftigte Regisseurin Jetske Mijnssen hat die Regie übernommen. Auch für sie die erste Arbeit mit einer Oper von Richard Wagner sowie für das Glyndebourne Festival.

Wie schon sooft in ihren Regiearbeiten wandelt sie auch hier das Bühnenweihfestspiel zu einem Familienpsychogramm und verfremdet so mitunter die Heilsgeschichte, die aus Wagners Text resultiert, bleibt aber stimmig in ihrer Umsetzung. Ein Buch über Cosima Wagner lieferte den Aufhänger für ihr Konzept von den Dramen Anton Tschechovs inspiriert. Ben Baur gestaltet einen ästhetischen Handlungsrahmen im Stil eines victorianischen Herrenhauses. Die Handlung bleibt unverändert drei Akte im gleichen eleganten repräsentiven dunkel gehaltenen halbovalen Raum. Über ein Fenster auf der rechten Seite gelangt Licht teilweise gebrochen durch Fensterläden. Fabrice Kevour achtet mit Gefühl auf die sehr stimmungsvolle Ausleuchtung des Geschehens. Die Niederländerin breitet dem Text folgend die Erzählungen der Vorgeschichte auf der Bühne aus. Wir erleben den Streit zwischen Amfortas und dem ungestümen Klingsor um Kundry, hier alle drei Teenager auf einer blühenden Wiese. Im folgenden bleibt Klingsor im Hause und taucht immer wieder zum Geschehen auf als sei er ebenso Sohn Titurels. Sein Reich ist der gleiche Raum. Die Blumenmädchen tragen dasselbe dunkelrote hochgeschlossene Kleid wie Kundry, als sei dies eine Schuluniform. Parsifal erlebt das Schicksal seiner Mutter, der leidenden Herzeleide, deren Rolle Kundry in der Versuchung in deren Bett einnimmt. Parsifal erlöst ebenso Klingsor und bringt ihn als erlösenden Speer bildhaft zu Amfortas zurück ohne seine Burg zu zerstören wie es im Zext geschieht. Amfortas leidet in einer Einblendung zum Vorspiel im Bett. Das Abendmahl wird als spannende Konfrontation von Titurel und Amfortas in Priestergewänder am schweren Holztisch gegenübersitzend zelebriert. Erst zur Kommunion dürfen der Gralsritter erscheinen, Klingsor bleibt aufmerksamer Zuschauer bis es zu einer wenig nachvollziehbaren und eher abstoßenden Schlägerei kommt.

Viel wird ständig auf die Bühne getragen und wieder verräumt, gefühlt wird jedes musikalische Element und die symphonischen Zwischenspiele auf der Bühne umgesetzt. Zum Schlussbild kehrt Amfortas im Bett zurück, Titurel Sarg wird in großem Aufmarsch auf die Bühne und weggetragen. Gideon Davey kleidet Klingsor und Parsifal elegant in Anzüge mit Weste, die Gralsritter in dunkler Uniform der Entstehungszeit der Oper entsprechend. Kundrys Äusseres erinnert gewollt an Cosima Wagner.

Musikalisch verläuft der bildreiche Abend mit unterschiedlichen Ausprägungen ab. Sehr gedehnt und getragen entwickelt sich der erste Akt, mit Auftritt des bestens vorbereiteten und durchdringenden Glyndebourne Chorus - Leitung Aidan Oliver - blüht eine kräftige Klangwelt auf und der Spannungsbogen wird gut bis zum Ende des Aktes gehalten. Robin Ticciati am Pult des London Philharmonic Orchestra gestaltet den zweiten Akt deutlich lebendiger, im Tempo forcierter und inspirierter. Der musikalische Leiter des Festivals packt durchgehend zu, muntert das Orchester zu einem lebendigen romantisch aufwühlenden Spiel auf, achtet umsichtig auf die Abstimmung mit den Sängern, um deren Vortrag gut verständlich und verfolgbar zu halten.

Allen voran überzeugt John Relyea als Gurnemanz mit einem intelligenten und gut eingeteilten Vortrag. Wortverständlich mit klar und gesanglich ausdrucksstark geführter Stimme ist er die zentral verbindende Figur des Abends ohne eine Familienrolle zu haben. Wohlig ist sein warmer Bariton, der gut intoniert auch in den Randlagen erklingt. Daniel Johansson ist ein eleganter, grossgewachsener Parsifal der weder als Tor noch als Erlöser von der Regie gezeichnet wird und eine Veränderung durchläuft. So wenig gestaltet, bleibt sein Auftritt farblos, stimmlich hält er keine Reserven und sein schmaler Tenor wirkt am Ende ermattet.

Mit Audun Iversen als Amfortas und John Tomlinson als Titurel stehen zwei langjährige und Glyndebourne erfahrene Sänger auf der Bühne. Ihr Spiel und insbesondere Zusammenspiel ist überzeugend und spannend. Sie gestalten ihre Auftritte mit den richtigen Gesten und flexiblen Stimmen sehr dramatisch. Das Leid und die Qual des Wartens auf Erlösung ist allgegenwärtig spürbar.Kristina Stanek mimt bei ihrem Debut in Glyndebourne eine präsente Kundry, die von der Regie aufgewertet wird und viel darzustellen hat. Im strengen Kleid verliert sie die Mystik der Rolle, aber wandelt diese zur wissenden Pflegerin und kalkulierenden Verführerin. Ihr Mezzo ist leistungsstark in allen Rollen, zeigt passend dramatische Schärfe aber auch weiche Züge. In der Aussprache und Deutschkenntnissen kann sich die gefeierte Sängerin noch verbessern. Ryan Speedo Green bringt stimmlich mehr Farbe und Nuanciertheit mit, ist aber ebenso schwer verständlich. In den Nebenrollen als Gralsritter erfreuen Liam Bonthorne und Dingle Yandell.

Am Ende viel Applaus für die Sänger und den Dirigenten. Auch für die bildreiche ansprechende Regie und Unsetzung wird heftig applaudiert, ein paar zarte Buhs der Ablehnung abwehrend. 

Dr. Helmut Pitsch 

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