Orphee in Salzburg - in dieser Unterwelt wird es nicht langweilig

Xl_img_1582 © Monika Rittershaus

Da geht es rund bei Pluto in der Unterwelt. In dieser spritzig witzigen und genauso schlüpfrigen Inszenierung von Barrie Kosky im Haus für Mozart öffnen sich die Salzburger Festspiele für die Welt der Operette, die bisher vernachlässigt wurde. Der ausgewanderte Deutsche Jakob Offenbach fand in Frankreich mit 14 Jahren seine neue Heimat. Als Jacques Offenbach reüssiert er in Paris zuerst als Cellist und später als Komponist zahlreicher Operetten mit zündender Musik und frechen Texten. Sein Orphée aux enfers, 1858 uraufgeführt, gehört zu seinen Meisterwerken sowie zu den Wegweisern für das Genre Operette. In einer zweiten Fassung wurde der Bühnenhit noch um weitere Nummern ergänzt. Die schwungvolle Parodie der altgriechischen Mythologie überzeugt mit der Explosionskraft seiner Musik und der Eingängigkeit der Melodien, die Tanz- und Straßenmusik, aber auch die jüdische Klezmer Musik aufgreift und einbindet. Der abschließende Galopp infernal ist als der Can Can berühmt geworden und wird immer und überall zu den verschiedensten Gelegenheiten gespielt. Filmmusik inklusive.

Immer ist in der Geschichte der Operette die Umsetzung auf der Bühne für den Erfolg von Bedeutung. Mehr als in der Oper, die auch durch die Musik allein stehen kann, braucht die Operette die Wucht der Aufführung, um zu überzeugen. Dies hat sich auch Barrie Kosky und sein Team zum Ziel gesetzt. Und es ist Ihnen dabei viel eingefallen, um das Publikum über drei Stunden bei Laune zu halten. Rufus Didwiszus schafft ein einfach anmutendes aber umso aussagekräftiges Bühnenbild, Eurydices Schlafzimmerwände sind bedruckte schwarz weiße  Stoffbahnen, die Götterwelt haust auf einem übergroßen Sofa im Empirestil, die Unterwelt wird von einem übergroßen grünen Teufel auf einem Fahrrad überragt.  Viel Aufmerksamkeit und unterhaltsame Wirkung steckt in den überaus komischen, verrückten bunten Kostümen und Perücken von Victoria Behr, die viel Atmosphäre erzeugen. Trotz Stringtangas, Korsetts, offenen Dekolletés wirkt nichts abstoßend und der Reiz des Frivolen stößt nicht auf. Dazu gestalte Otto Pichler eine Choreografie, die keine Wunsche offen läßt. Homoerotische Tänze von männlichen Teufeln begleiten Jupiters Weg in die Unterwelt. Der berühmte Can Can wird von einem gemischten Ensemble gewirbelt. Die Beine fliegen hoch, die Röcke wirbeln in der Luft, die Genitalien sind aufgeklebt und die Jauchzer fehlen auch nicht.

Als besonders humorvollen Einfall ist die Ausgestaltung der Rolle des John Styx gelungen und ausgezeichnet von dem Schauspieler Max Hopp umgesetzt. Barrie Kosky lässt ihn alle Dialoge auf Deutsch sprechen. Die Musik und der Gesang ist französisch, die gesprochenen Worte auf deutsch. Dazu beherrscht Max Hopp auch die Fähigkeit, eine Vielzahl von Geräuschen markant zu imitieren, sodaß sich die komische Wirkung noch verstärkt. Da knarrt die Türe, da klappert die Sohle am Boden, da wird geschnarcht, gerülpst und geräuspert. Zahlreiche Handlungen bekommen noch Gehör. Ebenbürtiges schauspielerisches Talent steuert auch Kathryn Lewek als Eurydice bei. Mit prägnanter üppiger Figur ist sie wendig geblieben und zeigt ihre humoristische Seite und selbstbewusstes Spiel. Im kessen Korsett mit Fülle wirbelt sie herum und schafft dabei die Spitzentöne bis zum hohen Anschlag sicher und lässt sich noch Raum für Nuancen. Als Königin der Nacht hat sie sich weltweit einen Ruf aufgebaut. Ihre Koloraturen flechtet sich auch hier ein.  Sehr elegenat mit langem Haar und schlanker Figur ist Joel Prieto als Orphee auch ein Abbild des magischen Geigers Nicolo Paganini, der Jacques Offenbach für die Ausgestaltung der Rolle inspirierte. Anklänge der Musik Paganinis stecken auch in der Partitur. Orphee ist ja Geigenvirtuose und Lehrer und darf hier mit einer Unzahl von Geigen Eurydice erfolglos berzirzen. Gesanglich ist er sicher bleibt aber farblos. Anne Sofie von Otter hat sichtlich Freude an der Rolle der allgemeinen Meinung und spaziert mal schwarz mal kunterbunt durch das muntere Geschehen auf der Bühne und setzt dabei gesanglich ihre Akzente. Marcel Beekman stolziert akrobatisch auf seinen hufgleichen Schuhen als Pluto im orangen Fransenkleid und verführt nebst Eurydice gleich die Götterwelt. Martin Winkler läßt sich als Jupiter nur zu gerne in das lasterhafte Leben einführen und schlüpft in verschiedene Outfits. Als Fliege verkleidet lässt er seiner Lust freien Lauf und bringt dabei noch gesanglich eine perfekte Leistung. Ebenso meistern eine Vielzahl von Solisten als auch das Vocalconsort Berlin ihre Rollen und es entsteht gemeinschaftlich ein knallbuntes Bild aus Gesang, Spiel und Ausstattung, das Freude macht.

Enrique Mazzola hat sich bereits intensiv mit dem französischen Repertoire auseinandergesetzt und wurde dafür auch zum Chevalier. Die Wiener Philharmoniker läßt er hier nuancenreich aufspielen. Vom tänzerischen Symphonieorchester bis hin zum Varietéensemble spannt er den klanglichen Bogen. Ein sicherlich sehr unterhaltsamer Abend auf höchstem Niveau. Ein neues Genre wird festspielfähig, sofern es in das Gesamtbild mit seinem musikalischen Anspruch passt.

 

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