Oper Sofia mausert sich zum Wagnerhügel

Xl_cf3f639c-4601-417e-beda-652def27ccb8 © Helmut Pitsch

Richard Wagner Siegfried Richard Wagner Festival Sofia Oper 1.7.2025

Oper Sofia mausert sich zum Wagnerhügel

Sieglinde gebärt Siegfried zu den Klängen der Ouvertüre, Mime schleicht verdruckst herum und nimmt das Baby an sich. Humorvoll rennt der kleine Siegfried und dann junge Siegfried dem klumpigen Zwerg davon. So führt Plamen Kartaloff, der Regisseur des aktuellen Ring der Nibelungen der Sofia Oper den Betrachter in den zweiten Abend der Tetralogie Siegfried  zum Geschehen heran.

Es ist der zweite Ringzyklus, den der Intendant hier an seinem Hause inszeniert, dies neben nahezu allen weiteren Opern des Komponisten. Sofia ist mit diesem Angebot und seinen bildkräftigen textfolgenden Umsetzungen in den letzten Jahren zu einem geschätzten Ziel der Wagner Kenner und Liebhaber geworden. Alljährlich findet nunmehr auch ein großangelegtes Festival zu Ehren des Bayreuther Komponisten aber auch als Herausforderung dessen eigenen Festivals ebendort im Juni statt.

Triskel steht als gestalterisches Regiekonzept über dessen Neuinszenierung des Rings. Drei Elemente bilden ein Symbol oder Einheit, ein Begriff aus der Archäologie in der Erforschung der Kultur der Kelten. In der Religion findet er sich in der Dreifaltigkeit wieder und in der Philosophie in der Einheit von Körper Geist und Seele, sowie weitere Beispiele. Die drei Elemente sind hier einer Rune nachempfunden, ovale Elemente mit einer Öffnung im der Mitte, die immer wieder unterschiedlich zusammengesetzt werden, liegend oder aufgestellt. Dahinter ergänzt eine Videoleinwand das Stimmungsbild. Das Wasser des Rheins, die Höhlenöffnung als Mimes oder Fafners Heim. Zumeist bleibt es dunkel und in Grautönen auf der Bühne.

Futuristisch mutet in Mimes Höhle die Schmiede und der große Amboss an, in einer Konstruktion aus Stangen aufgestellt. Mime ist ein munterer Transvestit in Stöckelschuhen und Pelzmantel. Fafner ist ein bescheidener, eher zutraulicher Wurm, der nur kurz seinen Kopf zeigt. Dafür ist das Waldvögelchen ein wahrer Hingucker. Die Sängeein Maria Pavlova erscheint wagemutig auf einer Schaukel in orangem Anzug mit Federkleid und springt an Gummibändern hängend in die Tiefe und schwebt auf und ab, ihre Arme wie Flügel schlagend. Dazu singt sie hell und klar, eine bewundernswerte und mutige Leistung. Erda schlüpft unspektakulär aus dem Schatten einer Rune. Brünnhilde erwacht auf einem Felsen mitten im Triskel.

Unermüdlich wurde auch an der musikalischen Qualität gearbeitet. Immer wieder wurden und werden international erfahrene Dirigenten eingeladen, die mit den Musikern arbeiten und Ihre Erfahrungen auch im Zusammenwirken mit der Bühne einbringen. Für die Premiere des Tannhäuser der diesjährigen Richard Wagner Festspiele steht Constantin Trinks GMD der Oper Frankfurt am Pult, den Ring leitet Evan - Alexis Christ wie auch in den letzten Jahren. Der Amerikaner genießt spürbar das Vertrauen und die Anerkennung der Musiker. Sie folgen aufmerksam, das Selbstvertrauen und Zutrauen ist mit der Erfahrung über die letzten Jahre hörbar gewachsen. Die Bläser ertönen sicher, kräftig und mit Ausdruck, nahezu fehlerfrei. Die Streicher bauen robuste Klangvolumen auf, modulieren ihre Farbigkeit gekonnt unter der umsichtigen klaren Führung. Christ hängt auch am Detail, die Transparenz der Motive ist ihm wichtig und entlockt den Instrumentalisten viele große Momente im zartesten Pianissimo wie auch in mächtigen Entladungen. Das Orchester liefert den Sängern einen tragenden Unterbau für deren gesangliche Entfaltung.

Magnus Vigilius nutzt diesen für eine eindrucksvolle Darstellung des Titelheld. Jugendlich ist sein Siegfried, frisch mit träumerischen Touch. Ein Romantiker bewegt sich hier in dunkler Höhle und Wald, dessen Mut und Stärke sein Schwert Notung schmiedet und den Wurm besiegt. Munter und präsent bleibt der Däne auch im finalen Liebesduett mit seiner heldenhaft eroberten Geliebten Brünnhilde. Sein Tenor zeigt keine Schwächen, hohe Töne sitzen sicher, geschmeidig bewegt sich die Mittellage und bleibt locker in der Tiefe. Vigilius hat die Rolle verschiedentlich gesungen und kündigt sich als zukünftiger Heldentenor der Topliga an. Auch Krisztian Cser hat bereits an vielen Häusern als Wanderer reüssiert. Der Ungar besitzt einen warmen Bariton mit Flexibilität. Gut baut er die Phasetten seiner Rolle in seine gesangliche und spielerische Darstellung ein. Sein Wotan zeigt die Müdigkeit aber auch die Lust am göttlichen Regieren. Die Macht strebt Plamen Dimitrov als Alberich zurück zugewinnen und benutzt hierfür seinen Bruder Mime. Krassimir Dinev meistert die schwierige Rolle eindrucksvoll. Er schleppt sich unentwegt über die Bühne. Von Alter und Krankheit gezeichnet ist dieser Mime besonders mystisch und durchtrieben. Radostina Nikolaeva erwacht hörbar ausgeschlafen und beschwört die Sonnenkraft mit Strahlkraft und viel Dynamik in der Stimme ohne dramatisch zu werden. Vesela Yaneva ist eine reife Erda, die Wissen schier hörbar macht.

Insgesamt erfreut, das die Wortdeutlichkeit sich im bulgarischen Ensemble verbessert hat und damit die Ausdruckskraft der Darsteller, die sich besser in die Rolle einfügen. Die intensive Arbeit und Auseinandersetzung mit dem Werk Wagners in den letzten Jahren trägt Früchte und führt zu einem runden Opernabend auf hohem Niveau. Die Reise lohnt sich.

Viel und freudig langer Beifall und Jubel im gut besuchten Haus

Dr. Helmut Pitsch

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