Nicht jeder Ort eignet sich für Oper - Luisa Miller in Parma mit optischen und akustischen Defiziten

Xl_1699_luisamillerfv2019_da_sx__franco_vassallo__miller___francesca_dotto__luisa___riccardo_zanellato__conte_di_walter___amadi_lagha__rodolfo_ © Roberto Ricci

Lange Jahre galten die Aufführungen im Teatro Farnese als Höhepunkte des alljährlichen Verdi Festival in Parma. Nunmehr ist dieser architektonische und kunsthistorische Leckerbissen für die Veranstalter weggefallen. Um trotzdem einen weiteren Aufführungsort neben dem entzückenden Teatro Verdi in Busseto und dem prächtigen Teatro Regio di Parma anzubieten, hat sich das Management für die in Renovierung befindliche Kirche San Francesco del Prato unglücklicherweise entschieden. Akustische Defizite aber umso mehr auch optische Einschränkungen zu höchsten Preisen sorgen für Unmut im Publikum und für reduzierten musikalischen Genuss, auch wenn man für die Aufführungen von Luisa Miller ein ausgezeichnetes Sängerensemble aufgesucht hat und mit dem Orchester und dem Chor des Teatro Communale von Bologna bestens aufgestellt ist.

Die Kirche ist ein langgestreckter Sakralbau, der zur Gänze mit Metallgerüsten ausgekleidet ist, sodass vom Inneren nichts erkenntlich ist. Im Längsschiff sind nach einer langgestreckten Bühne, Orchestergraben unzählige Sitzreihen aneinandergereiht. Im Mittelteil ist noch eine Tribüne für Ehrengaste über die Sitzreihen gebaut, sodass die hinteren Plätze von Klang wie durch eine Mauer abgetrennt werden, ein Blick auf die Bühne nur mehr durch einen Operngucker klar erkenntlich ist. Schade für die Betroffenen, denn es geht viel von dem musikalisch gut vorbereiteten Abend im Hörerlebnis verloren, die Regie von Lev Dodin bietet wenig Erwähnenswertes. Zumeist wird statisch auf oder an einem langen Tisch gestanden, der Chor versteckt sich in dem Gerüstbau. Die Bühnengestaltung ist dünn und die Kostüme historisierend einfach gestaltet. Luisa kauert oder steht zumeist auf einem Tisch im Hintergrund und verfolgt so ihr Schicksal, das sich immer mehr und mehr verstrickt, nach ersten glücklichen Momenten mit ihrem mysteriösen Geliebten Rudolfo, der sich als Sohn des kaltherzigen berechnenden Grafen Walter, Lehensherr ihres Vaters, entpuppt. Friedrich Schillers Drama Kabale und Liebe lieferte die Vorlage, die Zensur von Neapel, wo die Uraufführung stattfand, beschnitt das Werk, Namen und Handlungsort mussten geändert werden, sodass wir uns jetzt im Tiroler Land bei eben jenem Grafen Walter und seinem hinterhältigen intriganten Castellan Wurm. Die Liebe zwischen Luisa und Rudolfo soll verhindert werden, der Graf hat andere Pläne, die er mit List durchsetzen will. Am Ende kommt es zum Selbstmord des Liebespaar und zum rächerischen Mord an Wurm. Viel Dramatik, die Verdi in diesem frühen Werk modern und viel ariosen Gesang gestalten wollte, nur sein Librettist Cammarano ging nicht auf seine Anforderungen und Wünsche ein.

Francesca Dotto gestaltet die Titelpartie als jungfräulich Verliebte, hin und hergerissen zwischen ihren Gefühlen zu Freund und Feind. Stimmlich intoniert sie technisch einwandfrei, im Ausdruck klingt sie einseitig, verhüllt Dramatik in Lautstärke und weniger in Farben. Mühelos und sehr gewandt zeigt sich Amadi Lagha als junger rebellischer Rudolfo. Der Tunesier hat eine breite und umfangreiche Stimme, die auch noch mit einem warmen Timbre unterlegt ist. Hier verspricht er einiges als Tenor des italienischen Faches. Farbenreich und gefühlvoll ausgelotet erobert er die Herzen, nicht nur von Luisa sondern auch des Publikums. Seine Stimmfärbung ist markant und seine Legati kantilenenhaft leichtgängig. Mit Franco Vassallo ist ein bekannter und erfahrenes Bariton in der Rolle des alten Miller zu hören. Er versteht es am besten mit den Unzulänglichkeiten der Akustik umzugehen. Ohne zu forcieren kämpft er mutig und dramatisch um seine Ehre und Freiheit. Er lässt sich nicht vom süffisanten Wurm, mächtig aber farblos Gabriele Sagona, einschüchtern. Auch Riccardo Zanellato dreht als Graf Walter auf, kommt aber klanglich nicht in vollem Tone zur Wirkung, welches auch an den akustischen Umständen liegen mag.

Roberto Abbado führt sehr um- und vorsichtig das Orchester des Teatro Comunale di Bologna. Es gelingt ihm eine dichte und fein abgestimmte Ouvertüre, die auf die tragischen Entwicklungen hinführt. Er bleibt mit dem Orchester ruhig, gestaltet Forte Ausbrüche ruhig und klar abgesetzt und liefert breiten Orchesterklang, bestens einstudiert und schwungvoll in den Tempi. Er setzt auf eine weich unterlegte Begleitung der Sänger, die er an dem Abend wohlgebettet und mit präzisen Einsätzen führt. Trocken und wie von magischer Hand gedeckelt wirkt der Klang, einmal eingehört kommt es zu einer sehr schönen musikalischen Interpretation.

Ebenso reduziert klingt der mäßige Applaus des Publikums, soweit es nicht schon in der Pause gegangen ist und so sein Missfallen über den Aufführungsort zum Ausdruck gebracht hat. Schade für die Künstler, deren Leistung nicht zur vollen Geltung kam. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Veranstalter neue Gedanken zur Akustik dieses Raumes machen. Für nächstes Jahr steht Macbeth in eben dieser Kirche auf dem Programm.

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