Modern ohne Inspiration Verdi’s Simone Boccanegra in Salzburg

Xl_simon-boccanegra-2019-c-sf-ruth-walz-08 © Ruth Walz

Zwei Fassungen, eigentlich zwei komplette Opern schuf Giuseppe Verdi für die berührende Geschichte um den Korsaren Simone Boccanegra, der zum Dogen von Genua aufsteigt und die verfeindeten Patrizier und Plebejer befriedet. Nur seinen Frieden mit sich selbst und seinem Feind, Fiesco dessen Tochter Maria an der verbotenen Liebe zu Simone starb, erfüllt sich erst am Totenbett. Die verlorene Tochter, von ihm und Maria, die er in Amelia Grimaldi wiederfindet, wird er erlöst.

 

"Die Opulenz der Musik nicht durch szenische Opulenz zu ergänzen" wird Andreas Kriegenburg im Programmheft zitiert. Dem Gedanken kann der Betrachter angesichts des monumentalen Bühnenbildes von Harold B Thor nicht folgen. Ein wuchtiger Sichtbetonbau fungiert mit drehbarem Turm am rechten Rand als nüchternes Heim Amelia Grimaldi, mehr einer Firmenzentrale entsprechend und als Dogenpalast. Zwei grosse Öffnungen an der Rückwand geben den Blick auf das Meer, der seelischen Heimat des Korsaren frei. Verwaist steht ein Flügel herum, ein paar Palmen zieren als Farbtupfer die Bühne. Dazu steckt Tanja Hofmann die Protagonisten in moderne eintönige Kleidung. Die Männer in blaue und graue Anzüge, je nach Zugehörigkeit zu den verfeindeten Gruppen der Plebejer oder Patrizier, so auch die Frauen in strenge Kostüme mit Krawatten wie altjüngferliche Gouvernanten. Ebenso ohne Inspiration wirkt die träge Personenregie. Breit wird der Einfall ausgetreten, Modernität durch den ständigen Gebrauch von Handys zu dokumentieren.  SMSe werden grossflächig auf die Bühnenwand projeziert, um die politische Debatte der Dogenwahl abzubilden. In Momenten grosser Liebesbekundungen stehen die Paare weit auseinander, gestehen sich ihre Gefühle ohne in die Augen zu schauen. Dazu kommen skurille Utensilien wie Fremdkörper auf die Bühne und ziehen Lächerlichkeit nach sich. Mit gebogenen Säbel wird der Doge bedroht, Fiesco kommt mit mittelalterlichen Eisenfesseln auf die Bühne, Paolo wird mit Strick  zum Henker geführt. Mühsam sind Massenszenen gestaltet. Da rennen konzeptlos die Parlamentarier in der Sitzung herum, das Volk marschiert steif in Reih und Glied auf und probt den Volksaufstand. Ein paar mehr zündende Ideen intelligent eingesetzt hätten der szenischen Opulenz nicht geschadet.

 

Da arbeitet Valery Gergiev mit mehr Einfühlungsvermögen an der musikalischen Opulenz, der Meisterhaftigkeit des italienischen Komponisten. In der Partitur vertieft zieht es ihn dicht in den Orchestergraben, bis in die Spitze des kleinen Fingers gibt er den Wiener Philharmonikern seine Zeichen, schüttelt ab und an den Kopf. So zieht er fein detaillierte musikalische Pinselstriche. Er bringt das Meer förmlich zum glitzern, Vogelstimmen steigen auf und grosse Gefühlsmomente tun sich auf. Markig laut leitet ein Donner die Fluchszene ein, sodass keiner im Saal diese versäumt. Zart einfühlsam malt er die Erlösung von der Feindschaft mit Fiesco und mit zurückhaltenden Tempi und feinsten Piano vermitteln die Philharmoniker ergreifende Momente die manche Träne des Mitgefühls für den sterbenden Vater aufkeimen lässt.

 

Weniger Zeichen setzt Gergiev für die grossartigen Sänger des Abends. Luca Salsi hat sich in den letzten Jahren zu einem sicheren vollmundigen Bariton, bestens geeignet für die grossen Verdirollen entwickelt. Sein Simone zeigt Machtanspruch und Entscheidungsstärke, aber auch den Mut nach Harmonie und Frieden zu streben. Insbesondere im Konflikt mit Fiesco, um innere Ruhe zu finden. Dramatisch mächtig spricht er als Doge zum Volk, lyrisch voller Emotionen empfindet er für seine geliebte Tochter. Holprig dagegen wirken seine Bewegungen. In ihrem unglücklichen blauen Altweiberkostüm ist es für Marina Rebeka schwer, ihre Amelia jungfräulich mädchenhaft zu gestalten. Samten gesetzt ist ihr reifer Sopran, der leicht schwebend in die Höhen aufsteigt und ausdrucksstark Legati setzt. Der amerikanische Tenor Charles Castranovo hat sich ebenfalls stimmlich weiterentwickelt. Mit einer kräftigen sicheren Höhe überzeugt er als Gabriele, in der Mittellage sitzt seine Stimme tief und verdunkelt. Viel Ausdruck legt er in seine Deutung der Rolle und sein gewachsener Schmelz bleibt nicht ohne Wirkung. Über alle steht  Rene Pape, der als Fiesco im Hintergrund die Fäden zieht und mit seiner Rollengestaltung und stimmlich bestens in Form den Abend dominiert. Sein Bass formt wunderbar weich Melodien und phrasiert nuancenreich seine Stimmungen. Formvollendet auch als Gefangener lässt er keine Wünsche offen.

 

Ein großer musikalischer Abend für den sich das Publikum aufrichtig bedankt.

 

 

 

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading