Mitreißendes Musiktheater für Freiheit und den Kampf für ein sinnvolles Leben

Xl_4c36f202-cf5e-4435-ba48-df35bda147c0 © Karl und Monika Forster

Wiesbaden/Maifestspiele 2023: Die Sache Macropoulos und Aus einem Totenhaus - 30. April 2023

Mitreißendes Musiktheater für Freiheit und den Kampf für ein sinnvolles Leben

Angesichts der politischen Entwicklungen des Jahres 2022 hat der Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden und der Maifestspiele 2023, Uwe Eric Laufenberg, entschieden, das Thema Freiheit, womit auch die Pressefreiheit und das freie Wort an sich gemeint sind, sowie den Kampf für ein selbstbestimmtes sinnvolles Leben zum Hauptthema dieser Festspiele zu machen. Nach einem Statement des Wiesbadener Oberbürgermeisters Gerd-Uwe Mende beim Eröffnungsempfang am Premierenabend blicken die Maifestspiele schon auf eine 127jährige Geschichte zurück. Insbesondere will man sie dieses Jahr den Gefangenen in aller Welt widmen und so mit den Festspielen die großen gegenwärtigen Themen und Probleme der Welt ansprechen. Welche Opern passten besser zu dieser doppelten Zielsetzung als die beiden Spätwerke des tschechischen Komponisten Leos Janáček, „Die Sache Macropoulos“ und „Aus einem Totenhaus“?!

Sie eröffneten am 30. April mit ihren Premieren die diesjährigen Maifestspiele. Nicolas Brieger inszenierte im Bühnenbild von Raimund Bauer und mit Kostümen von Andrea Schmidt-Futterer sowie einer exzellenten Choreografie von Valenti Rocamora i Torà und nie überhand nehmenden Videos von Stefano Di Buduo beide Stücke mit einer zeitweise erschütternden Intensität und Klarheit in der Aussage, dass es einem manchmal den Atem verschlug. Hauptelemente der Bühnenbilder beider Stücke sind immer wieder changierende riesige Büro-Aktenschränke, die bei „Vec Macropoulos“ den viele Jahre dauernden Erbstreit Gregor gegen Prus und im „Totenhaus“ die Akten der vielen im Straflager einsitzenden Gefangenen symbolisieren.

Darum herum entspannt sich mit einer hinreißend und äußerst wandlungsfähig spielenden sowie ebenso großartig singenden Elissa Huber als Emilia Marty ein spannendes Drama um ihre Sehnsucht, ihr unverschuldet 327 Jahre dauerndes Leben zu beenden. Aaron Cawley, ein junger Heldentenor mit bald größeren Aufgaben in Wiesbaden, gibt einen guten Albert Gregor und Jirí Sulzenko einen starken Jaroslav Prus.

In der von Briegel bestens ausgearbeiteten und unmittelbar an der Werkaussage orientierten Personenregie können sich alle von ihrer besten Seite zeigen. Im „Totenhaus“ vermag das Regieteam die nahezu hoffnungslose und depressive Stimmung der Gefangenen musiktheatralisch intensiv darzustellen. Insbesondere gelingt die brutale Behandlung des neu eingelieferten politischen Gefangenen Alexander Petrowitsch Gorjantschikoff eindrucksvoll im negativsten Sinne und führt sofort zu Assoziationen mit konkreten Fällen unserer Tage - was wohl auch so beabsichtigt war. Hier konnten Claudio Otelli als Schischkow, Christopher Bolduc als Gorjantschikoff, Kristofer Lundin als Schapkin und Julian Habermann als Aljeja beeindrucken. Insbesondere im „Totenhaus“, in dem auch ein riesiges Wal-Skelett wie ein Symbol des Todes dräut, spielt die gute Chorografie eine bedeutende Rolle. Eine gewisse Gemeinsamkeit haben beide Stücke und bringen ein Fünkchen Hoffnung auch damit, dass in beiden ein Theater im Stück stattfindet. Die Gefangenen spielen es zu ihrer Erbauung im „Totenhaus“, und Emilia Marty schlüpft als Opernsängerin immer wieder in andere Rollen - spielt also Theater. Beides ist hier szenisch nachvollziehbar gelungen.

Johannes Klump dirigierte das Hessische Staatsorchester Wiesbaden mit viel Verve und Verständnis für die oftmals sehr expressive Musiksprache Janáčeks insbesondere in diesen Spät-Opern. Der von Albert Horne einstudierte Chor trug das seine zum großen Eröffnungserfolg der Maifestspiele 2023 bei.

Dr. Klaus Billand

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