Maria Stuarda packendes Frauenpower Drama am Theater an der Wien

Xl_img_1134 © Monika Rittinghaus
Gaetano Donizetti schuf diese Tragedia lirica über zwei um Macht und ihren Geliebten rivalisierende Königinnen ursprünglich 1834 für das Teatro San Carlo. Aber Probleme mit der Zensur und insbesondere mit den Hauptdarstellerinnen liessen die Uraufführung erst ein Jahr später mit mässigem Erfolg in Mailand stattfinden. 124 Jahre später fand das Werk eine Wiederbelebung in Donizettis Heimatstadt Bergamo. Die Aufführungspraxis dieses Werkes ist entscheidend geprägt von den Interpretinnen der beiden Gegenspielerinnen, der regierenden Königin Elisabetta und der eingesperrten Königin Maria Stuarda. Für den Regisseur Christof Loy stecken im Werk Donizettis deutliche Ähnlichkeiten im Charakter der beiden Frauenfiguren. Die historische Elisabeth hat Ihre Entscheidung der Hinrichtung Marias über 17 Jahre hinausgeschoben. Ihre Verwandte Maria Stuart hatte sich an einem Komplott gegen sie beteiligt und auch ihren Geliebten Leicester für sich einnehmen können. Christof Loy arbeitet die Leidenschaften und seelischen Verstrickungen auf einer leeren Drehbühne mit einer intensiven Personenführung heraus. Erscheinen im ersten Akt die beiden Frauen und ihr Hofstaat noch in historischen Kostümen und Rollenbild werden sie im 2. Akt seelisch entkleidet und erscheinen im nüchternen dunklen Hosenanzug ohne Perücke oder Maske. Maria Stuarda steht weiter zu ihrem Machtanspruch und ihrer Unschuldigkeit, sucht aber ihren Gott und mit dessen Hilfe Ruhe und Erlösung. Sie vergibt Elisabetta und spricht auch ihren instrumentalisierten Verehrer Leicester frei von jeder Schuld. Unruhig und in den seelischen Verstrickungen bannt im zweiten Akt Marlis Petersen das Publikum als Maria Stuarda mit ihrer eindringlichen unter die Haut gehenden Darbietung. Stimmlich in Bestform, ohne jegliche erkennbare Mühen, meistert sie die gewagten Sprünge, dramatischen Koloraturen und lyrische Passagen inklusive. Dabei mischt sie die Farbpaletten ihres dunkel gefärbten Soprans und zeigt die Flexibilität und Dehnkraft. Dramatische Sprengkraft besitzt auch der Sopran der Franco Kanadierin Alexandra Deshorties, die die Rolle der Elisabetta übernommen hat. Kräftig und präsent stichelt sie in ihrer höfischen Umgebung, mimt die resolute, machthungrige aber vereinsamte Königin. Ihren weichen Kern und Schwäche zeigt sie gegenüber Leicester, dessen Liebe aber zu Maria Stuarda am Ende ihre Entscheidung beeinflusst, mit der sie aber nicht leben möchte. Ihre Jungfräulichkeit, um politische Angreifbarkeit zu vermeiden, ging in die Geschichte aber an diesem Abend zeigt Elisabetta hölzerne fragile Gefühlsregungen. Der Amerikaner Norman Reinhardt kämpft im Schatten der beiden starken Frauen und zeigt als Roberto, Conte di Leicester kein Profil oder klare Linie, indem er beiden seine Zuneigung zeigt. Sein Tenor ist lyrisch, bringt die Höhe zumeist sicher aber es fehlt Fülle und unterlegtes Timbre, um vollends zu überzeugen. Dies tut Stefan Cerny als Giorgio Talbot vor heimischem Publikum. Er tritt für Maria Stuardas Befreiung ein, aber seine Position am Hof setzt er nicht aufs Spiel. Tobias Greenhalgh bezirzt wiederum Elisabetta mit seinem strammen sicheren tief liegenden Bariton. Der Arnold Schönberg Chor wird vom Regisseur umfangreich und bewegungsintensiv eingesetzt, sodass immer wieder Unruhe das eigentlich oratorienhafte statische Geschehen gestört wirkt. Bestens vorbereitet und in allen Stimmlagen gut besetzt umrahmt der Chor musikalisch bestens disponierte Chor die Handlung. Angefeuert und umsichtig werden alle vom Pult aus durch den Dirigenten Paolo Arrivabeni geführt. Italianita und profunde Kenntnis des Belcanto ist in seinem Dirigat klar erkennbar. Leicht gehetzt versetzt er in Spannung mit harschen Forti genauso wie er in bedächtigen Legati romantisch vollmundige Stimmungsbögen im ORF Symphonieorchester ausreifen läßt. Das Publikum würdigt begeistert die beiden Heldinnen und applaudierrt gehaltvoll allen Beteiligten. Die Regie wird mit geteilten Meinungen aufgenommen. Helmut Pitsch | Drucken

Kommentare

Loading