Magische Hände in München

Xl_igor_lewitt2 © Bayerischer Rundfunk

Konzert Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gasteig 1.Juli 2021 Igor Levit Solist

Magische Hände in München

Igor Levit, der Deutsche mit russischen Wurzeln hat wie kein anderer Künstler die auf oktruierte Stiile des Lockdown genutzt, um über soziale Medien Kunst und seine Musik zu vermitteln und seine Bekanntheit weiter auszubauen. Nun zählt er zu den ganz großen Pianisten und alle Konzertveranstalter und Festspiele reißen sich um ihn. Und das zu Recht wie sein Auftritt in München mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunk eindrucksvoll  beweist.

Sehr entspannt und mit dem Publikum in direktem Blickkontakt tretend sitzt er im Gasteig auf seinem Hocker und folgt den ersten Takten von Ludwig van Beethoven 's 4. Klavierkonzert G- Dur. Ungeahnt weich und sanft ist sein Anschlag, als ob er nur über die Tasten streicht. Aber da ist ausgewogene Präzision und gleich der entfesselte Ausbruch in Akkorde, die zwar hart und mächtig aber nicht technisch brutal klingen. Für mich unvergleichlich ist diese Interpretation des wohl bekannten und oft gehörten Klavierkonzertes. Virtuos und von eigenem Charakter gestaltet er die Kadenzen, lässt im Schwung an den Jazz erinnern. Die Läufe fließen akurat mit atemberaubender Geschwindigkeit, Triller schweben makellos und immer bleibt eine originäre Intimität. Große emotionale Gesten fehlen angenehm, dafür ist er ab und an verleitet, dezent mitzudirigieren. Er sucht den Kontakt zu den Solisten im Orchester und spielt im Zusammenspiel sehr achtsam und  abgestimmt. In der Zugabe zeigt er Kanten und ausgefeilte Technik mit Leben erfüllt. 

Als Vorlage für die Musik zahlreicher Filme wurden die Enigma Variationen von Edward Elgar bekannt. Das eigentliche Werk wird seltener gespielt. Im zweiten Teil des Konzertes zeigt Edward Gardner mit dem Symphonieorchester des BR die melodiösen und harmonischen Qualitäten des Originals. Eine einfache Melodie als spontaner Einfall gefiel Elgars Frau Alice so gut, dass er darum 14 Variationen kreierte, die Menschen in seiner Umgebung beschreiben. Enigma steht allerdings für Rätsel und dieses gab der Komponist selbst auf, indem er erklärte, dass eigentlich ein anderes Thema über dem Gesamtwerk der Variationen steht. Mittlerweile geht die Fachwelt davon aus, dass es sich dabei um das Hauptthema aus Ludwig van Beethovens Klaviersonate Pathetique handelt.

Die Melodie ist leicht eingängig und daran liegt dem Dirigenten. Ohne Schnörksel oder übertriebene Emotion bleibt sein Dirigat klar und transparent. Verstärkt durch die großen Abstände zwischen den Musikern bleibt der orchestrale Gesamtklang in den piani dünn und blüht verhalten. Schön gelingen die verschiedenen Soli von Cello und Klarinette oder Bratsche, die dem Werk auch besonderen Charakter verleihen, indem sie die verschiedenen Personen thematisch beschreiben. Die letzte Variation beschreibt Elgar selbst und klingt ruhig und ausgeglichen aus. Leichte Orgelklänge färben die Variation sakral mächtig. In der ausgeglichenen Ruhe gelingt dem Dirigenten eine stimmige fließende Interpretation die berührt und fliesst.Das Publikum ist sichtlich eingefangen und bedankt sich innig und herzhaft.

Dr. Helmut Pitsch

| Drucken

Kommentare

Loading