Lady Macbeth von Mzensk - musikalisch kraftvoll szenisch flache Neuinszenierung in Frankfurt

Xl_img_1629 © Barbara Aumüller

Eine tragisch satirische Oper bezeichnete der junge Dmitri Schostakowitsch seine zweite und letzte vollständige Oper. Eine revolutionäre Oper im inhaltlichen aber auch musikalischem hat er geschaffen, welche ihm zuerst grosse Anerkennung bei der Uraufführung 1934 aber später auch politisches Missfallen eingebracht hatte, nachdem Stalin diese 1936 mit Verachtung übergoss und den Komponisten in eine tiefe Depression verfrachtete. Das Werk wurde in der Sowjetunion verboten. 1963 vollendete Schostakowitsch eine Überarbeitung mit dem Titel Katerina Ismailowa, indem die anrüchigen Stellen entschärft und die musikalische Monumentalität gemildert wurden. Kurz nach dem Tod des Komponisten wurde von berühmten Cellisten Mstislav Rostropowitsch eine Abschrift der Originalpartitur in den Westen gebracht und das Werk trat erneut seinen Siegeszug an. Das Libretto an dem der Komponist gemeinsam mit Alexander Preis gearbeitet hat, fusst auf einer wahren Begebenheit, welche Nikolai Leskow in seiner gleichnamigen Erzählung verarbeitet hatte. Die junge schöne Katerina Ismailowa ist mit dem langweiligen, liebesunfähigen Sohn des reichen Kaufmann Boris Timofejewitsch verheiratet, der ihr die Kinderlosigkeit vorwirft und dafür drangsaliert. Während einer Abwesenheit ihres Gatten beginnt Katerina eine Liebesbeziehung mit dem Schürzenjäger Sergei, welche vom Schwiegervater aufgedeckt wird. Mit einem vergifteten Pilzgericht tötet Katerina den aufgebrachten Schwiegervater und auch ihren Gatten nach dessen Rückkehr unter Mithilfe ihres Liebhabers. Nachdem während der Hochzeitsfeierlichkeiten mit Sergei der Gattenmord aufgedeckt wird, werden die beiden ins Straflager nach Sibirien deportiert. Auf der Wanderung dorthin beginnt Sergei eine Amour mit der Gefangenen Sonjetka. Aus Eifersucht und Verzweiflung begeht Katerina Selbstmord in einem See und zieht dabei ihre Widersacherin mit in den Tod. Gesellschaftspolitisch brisante Themen wie die Stellung der Frau aber insbesondere die offen dargestellten erotischen Szenen stellen einen epochalen Bruch mit der Konvention des staatlichen Machtsystem dar. Die Wucht der Aussage steckt aber insbesondere in der direkten musikalischen Sprache. Sie schreit vor Schmerz, frohlockt vor Lust, erschlägt von Gewalt und schnurrt förmlich von Romantik und Begehren. Alles bildet sie ohne Tabu ab und spiegelt das Drama pathetisch mit der vielgepriesenen russischen Seele wieder. Geschickt verpackt er die Provokation und trifft immer wieder versöhnliche Töne. Die Dichte der Komposition erschlägt im Ausgang der Handlung. Sebastian Weigle gibt sich in seinem Dirigat diesen Gegensätzen hin, furchtlos fordert er das Orchester zu kräftigsten Fortissimi heraus, lässt die Musik förmlich auf den Zuhörer prasseln. Markant nimmt er die Kraft heraus, um den Sängern Freiraum für ihre anspruchsvolle Aufgabe zu geben. Es wird ein gleichwertiges präsentes und glückliches Zusammenspiel zu einer ausserordentlichen musikalischen Auseinandersetzung. Anja Kampe ergibt sich vollkommen der Rolle, inhaliert förmlich das Schicksal der Titelheldin und verkörpert es in einer stimmlichen und schauspielerischen Meisterleistung. Dmitry Belosselskiy stellt sich als stimmgewaltiger aber auch gesanglich geschliffener Schwiegervater entgegen. Evgeny Akimov ist ein runder Sinowi in Stimme und Körperfülle. Dmitry Golovnin zeigt seinen kräftigen Tenor mit Farbe und Timbre, der verführerisch lyrisch schmeicheln kann. Hervorragend präsentiert sich der bestens einstudierte Chor, der viel russische Melancholie und Schwere wie aufgebrachte Masse zeigen kann. Dem musikalischen Rausch stellt Anselm Weber eine flache Regie in dieser Neuinszenierung entgegen, die platitüdenhaft billige Effekte erheischen will und wenig Schliff und Spannung in der Personenregie zeigt. Einfältig gestaltet Kaspar Glarner die Bühne und unstimmig die Kostüme. Ein graues Halbrund wie ein Betonstaudamm grenzt die Bühne den gesamten Abend ein und vermittelt das ausweglose, gefängnishafte Dasein aller Beteiligten. Ein runder Käfig kommt von oben als Liebes- und Lustnest Katerinas herunter und hängt verloren während der Hochzeit und Verhaftung über der Szene und dient hier dem Popen - glänzend Alfred Reiter - für seine erotisch lüsternen - unangebrachten - Eskapaden. Lebt die Gesellschaft im Haus des Kaufmanns in der Darstellung eher zu Beginn des 20.Jahrhunderts erscheinen die Vertreter des Gesetzes wie ein Stosstrupp der modernen Terrorbekämpfung eher befremdend. Da geht in der Gestaltung und Umsetzung viel Wirkung und Spannung verloren. Das Publikum zeigt sich von der Musik und Darstellung überzeugt und überschüttet die Darsteller mit berechtigtem Applaus.

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