Konzerte mit Publikum zu erleben auf den Kanaren

Xl_181220konzertcanaren © Klaus Billand

SANTA CRUZ de Tenerife: Konzert der Filarmônica de Santa Cruz am18. Dezember 2020

Es ist eigentlich unglaublich! Mitten im allgemeinen Lockdown-Szenario in Europa, das in diesen Dezembertagen bis weit in den Januar auch Spanien umfasst, bleiben die spanischen Theater, Opernhäuser und Konzertsäle zu einem hohen Prozentsatz für das Publikum zugänglich. Und dabei sind spanische Großstädte, wie allgemein bekannt, wahre Hotspots in Bezug auf Covid 19! Man hörte viel von Barcelona und Madrid, wo nicht einmal ein Zuschauer in die weltberühmten Stadien von FC Barcelona und Real Madrid hineinkommt, until further notice.

So hielt also auch das spektakuläre Auditorio Adán Martín des Architekten Calatrava Valls in der Hauptstadt von Teneriffa in den Kanaren, Santa Cruz, seine Pforten offen. Und das in einem Moment, in dem der deutsche Außenminister die Kanaren als Risiko-Zone mit einer Reisewarnung belegte, wo die Inzidenzen auf dem Archipel erheblich unter jenen in Deutschland lagen und auch heute immer noch liegen - weit unter 100 im Durchschnitt aller Inseln und unter 50 bis 20 auf einigen der sieben Inseln. Statt einer Reisewarnung wäre eine Reisempfehlung zugunsten der Kanaren sinnvoll gewesen, über die sich deutsche Touristen so freuen würden wie die Kanaren, deren Ökonomie bis zu 40 Prozent vom Tourismus abhängt.

Leider besteht diese Abhängigkeit nicht für den Konzert- und Opernsektor in Santa Cruz, der kaum von deutschen Touristen frequentiert wird… Kurz vor Weihnachten trat das Orchester der Insel, die Sinfónica de Tenerife, unter dem jungen Dirigenten Antonio Méndez zu einem anspruchsvollen Konzert mit einem Programm von Brahms und Schumann an.

In dem schütter besetzten und den Corona-Auflagen großzügig Tribut zollenden Saal war selbst ein Presse-Ticket nur mit großer Mühe zu bekommen. Die Reihen zeigten nur wenige Zuhörer, und jede zweite blieb frei! Wegen Corona wurden keine Print-Abendprogramme mehr ausgegeben, die normalerweise gratis an den Saaltüren liegen. Auf Nachfrage wurde man freundlich auf das Internet verwiesen, sich über das Programm und seine Details zu informieren - recht gewöhnungsbedürftig.

Zunächst war die Serenade No. 1 op. 11 von Johannes Brahms zu hören. Der Komponist schuf dieses Werk in seiner Detmolder Zeit, einer relativ ruhigen Schaffensphase. Diese und die 2. Serenade zur selben Zeit von 1857-58 waren seine ersten Versuche, sich der orchestralen Musik zuzuwenden. Zuerst sollte die 1. Serenade als Oktett für Bläser herauskommen. Brahms entschied sich dann aber für die orchestrale Fassung von etwa 40 Minuten.

Antonio Méndez dirigierte die Serenade No. 1 mit ausladender Gestik, etwas manieriert, nicht mit unbedingter Liebe zu fein konturierter Linienführung. Dadurch konnte man hier und da leichte Unstimmigkeiten in verschiedenen Instrumentengruppen besonders bei den Einsätzen hören. Das Orchester musizierte das Stück gleichwohl mit großem Engagement. Besonders hervorzuheben sind die romantischen Töne im Holz im 1. Satz, Allegro molto; die großen Bögen im 2. Satz, Scherzo, Allegro non troppo; die getragenen romantischen Momente des 3. Satzes, Adagio non troppo; das staccato der Fagotte im 4. Satz, Menuetto. Das Rondo, Allegro bot einen starken Schluss.

Die etwas unengagierte Form des Dirigats von Antonio Méndez setzte sich beim zweiten Stück des Abends fort, der Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 von Robert Schumann, der „Rheinischen“. Schumann hatte die Symphonie Ende 1850 in Düsseldorf als Hommage an den Rhein komponiert und ebendort im Februar 1851 zur Uraufführung gebracht. Der Beiname „Rheinische“ kam erst posthum zustande. Im 1. Satz, Lebhaft, kommt das berühmte Grundmotiv sehr schön heraus, während es im 2. Satz, Scherzo, sehr mäßig, etwas an musikalischer Raffinesse mangelt. Im 3. Satz, nicht schnell, können die Holzbläser ihre gute Qualität erklingen lassen, während im 4. Satz, Feierlich, attacca, besonders die homogene Blechbläsergruppe beeindruckt. Wahrlich hymnische Klänge sind hier zu hören. Im Schlusssatz, Lebhaft, tritt eine gute Rhythmik hervor, und auch hier spielen die Bläser wieder sehr gut. Insgesamt dann doch ein guter musikalischer Abend in Santa Cruz!

 

Klaus Billand 

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