Kindesmißbrauch im grellen Rampenlicht - Neuinszenierung Salome am Teatro Colon

Xl_65bdcbdc-9176-45a8-b687-a3963f635189 © Helmut Pitsch

Richard Strauss Salome Teatro Colon Buenos Aires 28.10.2025

Kindesmißbrauch im grellen Rampenlicht - Neuinszenierung Salome am Teatro Colon

1920 dirigierte Richard Strauss erstmals in Buenos Aires sechszehn Konzerte, 1923 kehrte er mit den Wiener Philharmonikern zurück und neben Konzerten dirigierte er mehrere Aufführungen seiner jüngsten Opern Salome und Elektra am Teatro Colon. Den damaligen Gebräuchen nachgebend, wurden die beiden Einakter mit weiteren Einaktern zu einem abendfüllenden Programm ergänzt. Beide Werke wurden im berühmten schillernden Opernhaus erstmals in Deutsch gesungen. Während seines Aufenthaltes vollendete auch seine Oper Intermezzo autobiographische Züge seines Ehelebens enthaltend.

Nunmehr erlebt das nach längeren Renovierungen wieder strahlend prächtige Operhaus in Buenos Aires eine glanzvolle Premiere einer Neuinszenierung des expressiven Werkes Salome des deutschen Komponisten. Mit dieser Komposition sicherte er sich Weltruhm und auch geordnete finanzielle Verhältnisse. Das Libretto verfasste er selbst nach der deutschen Fassung des gleichnamigen Dramas von Oscar Wilde. Die Regisseurin Barbara Lluch stellt in ihrer Präsentation das Verhältnis Salome zu ihrem Stiefvater Herodes in das Zentrum. Wie auf einem Präsentierteller stellt sie die Beiden und das Palastleben auf eine runde drehende weiß leuchtende Scheibe, die sich in mehreren Stufen ansteigend auffächert. Über dem Palast thront der hell erleuchtete Vollmund. Im Zentrum ist eine dunkle Platte wie ein Kanalgitter, das Gefängnis des Jochanaan symbolisierend - Bühne Daniel Bisnco. Dieser kommt aber von der Seite zu Füßen der Scheibe auf die Bühne. Salome ist eine moderne Frau im Frack. Im Schleiertanz ist sie nur kurz zu Beginn aktiv und entledigt sich ihres Jacketts, danach erscheinen hintereinander zwei Salomes in rot, einmal als Kind und dann als Teenager und tanzen um Herodes sowie mit ihm, der seine lüsterne Begierde klar in Gesten zum Ausdruck bringt, den sexuellen Missbrauch andeutend.

Der Mond färbt sich tiefrot, das blutige Finale andeutend. Herodias führt ihre Tochter ihrem Gatten zu. Es gibt eine Silberschüssel und sehr realistisch das Haupt des geköpften Jochanaan. Salome badet sich in falschen Triumph und Schmerz des Verlustes bevor sie dessen Mund küsst. Eine monumentale weiße Hand sticht von oben anklagend herab. }

Lluch gestaltet intensiv die Führung der Hauptpersonen Salome und Herodes, für die weiteren Protagonisten, die alle den gesamten Abend statisch mit auf der Scheibe stehen, liefert sie zu wenige Handlungsanweisungen.

Philippe Auguin steht in Buenos Aires am Pult des groß angelegten Hausorchesters, das aus dem Graben heraus auch in die seitlichen Bühnenlogen ausgedehnt Platz findet. Behutsam geht er mit der expressiven Musik Strauss um, haltet die Tonstärke gedämpft, um die Sänger und deren Verständlichkeit zu unterstützen. Nur selten zündet er wahre klangliche Übergüsse, dem Tanz gibt er, der Interpretation der Regisseurin entsprechend, eine intime Note, das Lustempfinden des Herrschers in einer Privatsphäre belassend. Das Orchesters ist gut vorbereitet, folgt mit großer Aufmerksamkeit und präzise in den instrumentalen Abstimmungen.

Ricarda Merbeth ist eine rebellisch erwachsene Salome, in ihrem Frack und kurzen Haaren besonders männlich, ohne Schleier so wenig reizvoll gezeichnet. Mühelos bewältigt sie die anspruchsvolle Partie, bleibt leicht ohne metallen zu werden in der Spitze. In der Tiefe dunkelt ihre Stimme merklich ab. Norbert Ernst gibt Herodes als smarten Gentleman in der Palastgesellschaft, der seine dunkle Seite im Tanz der Schleier zeigt. Wenig dramatisch zeichnet er sein Streitgespräch um den Lohn Salomes, führt seine Stimme stets ruhig und sicher und bleibt wortverständlich. Lyrisch feinfühlig ist Egils Silins als Jochanaan zu erleben. Sein Bariton verfügt uber Fülle und lässt sich in der Melodie gut führen. Seine Botschaft an die versammelte Gemeinde ist nicht zu überhören. Nancy Fabiola Herrera ist eine junge sehr elegante Herrscherin, die auch in ihrem raffinierten roten Kleid nicht zu übersehen ist. - Kostüme von Carla Perlutto. Stimmlich bleibt auch sie weich und ruhig ohne Schrille. So verliert ihre Rolle an Spannung und Aussagekraft. Fermin Prieto ist ein gealteter Naraboth und verfremdet mit brüchigem Tenor sein Rollenbild. Daniela Prado gibt als Page eine solide Darstellung und Interpretation.

Großer Beifall vom Premierenpublikum für Sänger, Orchester und Dirigent, vornehme Zurückhaltung für das Regieteam im ausverkauften Haus.

Dr. Helmut Pitsch

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