Humorvoll, stringentes Rheingold ohne Götterwelt in Stuttgart

Xl_050423rheingold_stuttgart © Matthias Baus

Richard Wagner Das Rheingold Staatsoper Stuttgart 5.4.2023

Humorvoll, stringentes Rheingold ohne Götterwelt in Stuttgart

„Lasst die Feigheit fallen“ steht auf dem Transparent der Rheintöchter im letzten Bild des Rheingold des derzeit an der Staatsoper Stuttgart laufenden Ringzyklus. Dieser Aufforderung ist der Regisseur Stephan Kimmig gefolgt und hat eine groteske Parodie auf Richard Wagners Götterwelt geschaffen. Gottvater Wotan ist das Oberhaupt einer munteren unkonventionellen Zirkusfamilie. Fricka ist eine genervte ständig paffende Ehefrau, Freia ein mannstoller lustvoller Teenager und Froh und Donner wirken wie verspielte aufsässige Zwillinge in ihren gleichgeschnittenen Anzügen mit Kummerbund. Die Riesen arbeiten mit Gabelstaplern in braunen Ganzkörperanzügen mit Scherpe und hochgesohlten Plateauschuhen. Die Rheintöchter sind spassbetonte Mädchen in Schuluniform mit grauem Rock und grünen Pullover. Alberich wirkt wie ein moderner Entertainer, mal in langen Haaren und Unterhemd, dann wieder gestylt mit buntem Hemd und Jacket - Anja Rabes Kostüme. Mime passt dazu als Clown mit Pierrot Augen und Nase, sowie Pommelschuhen. Dazu gibt es Artisten, die an Stofftüchern oder am Boden turnen oder Clowns, die ab und an Requisiten auf der leeren Bühne von Katja Haß bringen. Ein paar Holzsäulen und gespannte Seile vermitteln Zirkuszelt Atmosphäre. Im Hintergrund ist eine Leinwand gespannt, auf der wir die lüsterne Fricka erleben oder manch andere Videoeinspielung, nicht immer ist ein Zusammenhang zur Geschichte der Oper zu erkennen.

Hier lebt Stephan Kimmig seine breite Phantasie aus und entführt in seine eigene Sagenwelt. Der Tarnhelm funktioniert nicht wirklich mit der Verwandlung, der Einzug nach Walhall findet keine feierliche Erhabenheit, sondern verschwimmt im Ulk, allen voran Wotan in der Unterhose. Für weiteres Schmunzeln sorgt Erda, die sportlich mit wallendem Haar auf dem Herrenfahrrad wie zufällig auftaucht. Der Deutsche legt mit dieser unkonventionellen aber konsequent humorvollen Regiearbeit geprägt von sinniger und geschliffener Personenführung den Grundstein für diese Neuinszenierung von Richard Wagners Epos 'Der Ring des Nibelungen'.

Wiederum lässt die Staatsoper Stuttgart diesen neuen Ring an jedem der 4 Abende von einem anderen Regisseur bzw Regieteam gestalten, Bei der nun folgenden Walküre wird sogar jeder Akt von einem anderen verantwortet.„Die Geschichte des Ringes liegt im Graben“ so der Intendant des Hauses Viktor Schoner in seiner Einführung zur Eröffnung des neuen Gesamtzyklus an seinem Haus.

Dort operiert Generalmusikdirektor Cornelius Meister am Pult des Staatsorchesters Stuttgart mit Verve und Schwung. Farbenfroh leuchtet er die Grundthemen der handelnden Personen und musikalisch thematisIerten Gegenstände aus. Der auf der Bühne fehlende Rhein kommt sanft ins Fliessen, bildet eine schwebende Klangwolke, der ebenso inexistente Speer donnert immer wieder durch, Loge mit dem Feuerlöscher kommt erst aus dem Orchester heraus zu der tragenden verkniffenen schicksalshaften Figur. Gedrungene Macht herrscht bei den Nibelungen, die sich verstört am Arbeitstisch ohne Amboss auf die Arbeit konzentrieren. Meister malt seine Bilder und dramatischen Passagen mit ansprechenden Tempo und wohl abgestimmten Volumen.

Den Sängern gibt er ausreichend Raum und bereitet für diese einen feinen Klangteppich. Fast zur Gänze stammen die Sänger und Sängerinnen aus dem Ensemble des Hauses und beeindrucken mit ihrer simmlichen und insbesondere auch schauspielerischen Leistungen. Goran Juric glänzt nicht nur mit seiner silbernen Montur sondern auch mit sonorer Stimme als Wotan. Trotz der Komik vermittelt er herrschaftliche Größe. Matthias Klink brilliert als schräger Loge, der sich verdruckst, nahezu autistisch zwischen den Göttern bewegt und seine Stimme genauso verdrehen kann. Robin Adams ist kein durchdringender Bass als Alberich, muss aber in dieser Regie wenig Furcht einflößen. So spielt Elmar Gilbertsson einen unbeholfenen Mime, der wenig Eigeninitiative zeigt. David Steffens als Fasolt und Liang Li als Fafner sind zwei stimmsichere Bässe, die sich gegen die Götter stemmen. Pawel Konik als Donner und Moritz Kallenberg als Froh sorgen für viel Aktion, mehr jugendlich als göttlich, dafür mit viel Spielfreude und stimmlicher Präsenz. Rachael Wilson bringt den ehelichen Frust Frickas in Gestalt und Stimme auf die Bühne. Breit ist der farbliche Bogen ihres Mezzo. Ester Dierkes gibt Freia mehr spielerischen Ausdruck und nimmt so mehr Raum als üblich ein. Stine Marie Fischer gibt eine geheimnisvolle Erda, die dunkel und klar ihre Botschaft sendet.

Viel Applaus vom Publikum, das mit grosser Begeisterung und Humor dem Geschehen folgt.

Dr. Helmut Pitsch

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