Höchste Tanzkunst in mannigfaltiger Ausprägung. Ein hin- und mitreißendes Erlebnis in Innsbruck

Xl_rhythm-2068 © Birgit Gufler

Rhythm! Tiroler Landestheater 29.3.2023

Höchste Tanzkunst in mannigfaltiger Ausprägung. Ein hin- und mitreißendes Erlebnis in Innsbruck

Der Titel ist Programm. Rhythmus bestimmt diesen außerordentlichen Tanzabend und führt das tanzbegeisterte Innsbrucker Publikum quer durch die aktuellen Strömungen in diesem Genre. Für den scheidenden Ballettdirektor Enrique Gasa Valga wird es noch einmal zur lebendigen und eindrucksvollen Dokumentation seiner Leistungen. In 14 Jahren hat er eine Ballettcompagnie auf höchstem internationalem Niveau geschaffen, von Teamgeist und Freude an der Bewegung geprägt, die immer wieder zu Bestform aufläuft.

Als Choreograph hat er auch ein Stück für diesen Abend kreiert und nennt es liebevoll Rosas. Rosen, das sind für ihn seine Tänzer und Tänzerinnen, die er mit Bedacht geführt und gepflegt und zum Blühen gebracht hat. Seiner Beklemmung und fühlbaren Abschiedstrauer macht er mit ein paar Zeilen auf dem geschlossenen Vorhang Luft, bevor er zu modernen Jazz- und Sambaklängen eine spritzige dynamische Abfolge von Nummern zwischen klassischen Standardtänzen, Wettkampfsituationen und lyrischen Soli auf die Bühne bringt. Die Freude der Tänzer und Tänzerinnen an den heißen Rythmen und harmonischen Szenen ist spürbar, springt förmlich über. Geschickt lockt er mit flotten Schrittfolgen die Zuschauer in seinen Bann. Stimmungsvoll ist die Beleuchtung zwischen hell ausgeleuchteten Spots und warmen Lichtschienen von der Decke heruntergelassen. Die Kostüme der Tänzerinnen umfassen verschiedene Rottöne wie blühende Rosen. Seine Abschiedschoreographie wird zum Triumph für den Katalanen.

Spannend ist die Arbeit seines Landsmann Nacho Duato, gebürtig in Valencia und international sehr erfolgreich ua als Leiter des Staatsballett in Berlin, zu Beginn des Abends. Er ist bekannt für seine ausdruckstarken Figuren, geschmeidigen Abläufe und neuartigen Bewegungen. Seine Choreografie Gnawa wurde 2005 in Chicago uraufgeführt, und setzt sich mit der Musik, den Rhythmen dieser ethnischen Minderheit in Marokko ansäßig, auseinander. Es ist gerade deren rhythmusbetonte Musik zumeist von Trommel und Lauten gespielt, die diese Kultur überleben ließ und besonders in Frankreich in den Jazz, Reggae und Pop gefunden hat. Alljährlich findet in der marokkanischen Küstenstadt Essouria ein Gnawa Festival statt.

Duatos Choreographie ist zweigeteilt. DieBilder wechseln von arabischen Klängen mit Gesang zu Naturklängen mit seichten spährischen Farben. Mächtiger maskulin anmutender Gruppentanz wechselt mit einem phantasievollen Pas de Deux, liebevoll in den Details, kunstvoll in der Haltung und Ausgestaltung der Figuren. Wieder ein unvergessliches Meisterwerk des modernen Tanztheaters.

Eine Spur weiter in der Tanztechnik führt im Finale dieses höchst spannenden Tanzabends die Choreographie von Alexander Ekman. Der Schwede ist ein gefeierter Jungstar, der neue Tendenzen auslotet und einen neuen Tanzstil zwischen Performance, Tanz und Desillusion prägt. Er will unterhalten und hängt seine Botschaft selbst nicht sehr hoch. Umso spannender ist sein Ergebnis für den zeitgenössischen Tanz. Wie Zombies quälen sich die Tänzer zwischen Podesten, die wie Grabsteine anmuten auf die Bühne. Vier Musiker wandeln dazwischen und stimmen ihre Instrumente, um dann Fragmente eines Haydnquartetts zu servieren. Auf den Podesten angekommen, werden die Tänzer und Tänzerinnen Teil der Musikgruppe. Sie klatschen, trommeln, klopfen, schnippen und formen Laute zum Rhythmus mit ausgefeilten rhythmischen Bewegungen im Akkord.  Aus dem Off kommt eine tiefe weiche Männerstimme, die die Geschichte von Naturvölkern und der Kolonialisierung erzählt. Hat dies eine Bedeutung zum Gezeigten? Es folgt eine Serie von kollektiver Aerobicstunde mit springenden Spotausleuchtungen. DIe Podeste werden zu Schutzschildern, effektvoll gehen dahinter die raschen Bewegungen weiter, nur Körperteile sind sichtbar.

Dann kommen auf einmal die Kakteen – Cacti der Titel des 2010 uraufgeführten Werkes -auf die Bühne. Wiederum die Frage des Bezugs oder soll der Betrachter hier gar nicht analysieren. Gleich sind die robusten stacheligen Pflanzen wieder weggeschoben und ein neues Abenteuer startet. Tanz als Übersetzung des gesprochen Wortes. Wieder kommt der Erzähler aus dem Off und vermittelt die Geschichte der Begegnung eines Paares, die Worte verwandelt ein Tanzpaar anmutig zu Leben. Immer wieder springt die Choreografie mit einer Vielzahl von witzigen, ausgesprochen wirkungsvollen intelligenten Ideen von Bewegungen und Bildern. Meisterhaft gestaltet der Schwede Übergänge und setzt die Ballettcompagnie mannigfaltig ausdrucksstark ein. Wir bewegen uns zwischen Tanz, Tanztheater und Drama, dies anspruchsvoll mitreissend und die Kreativität des Schweden läßt einen immer wieder staunen.

Das Publikum bedankt sich mit Ovationen und lautstarker Zustimmung. Ein Tanzabend, den sich Ballettfans nicht entgehen lassen sollten.

Dr. Helmut Pitsch  

| Drucken

Kommentare

Loading