Gustav Mahlers Lied von der Erde aus München - Rührung und Schwere in einer beklemmenden Leere

Xl_montagsstueck_xvii_lied_von_der_erde__c__w._hoesl__2_ © Winfried Hösl

Gustav Mahlers Lied von der Erde in seiner Klavierfassung aus München im Stream - Rührung und Schwere in einer beklemmenden Leere im Haus

Nationaltheater München Bayerische Staatsoper Montagsstück XVII  8.3.2021 

Gustav Mahlers Leben befand sich zur Entstehungszeit des Werkes in einer belastenden Zeit. Antisemitische Anschuldigungen trafen den Direktor der Wiener Hofoper schwer und zwangen ihn zum Rücktritt. Der Tod seiner Tochter Anna und seine eigene Krankheitsdiagnose waren persönliche Schicksalsschläge. Gleichzeitig unterschrieb er einen Vertrag mit der Metropolitan Oper und dem Philharmonia Orchestra in New York und zementierte damit seine internationale Reputation und Karriere.

Der symphonische Liederzyklus „Lied von der Erde“ für Tenor und Alt oder Bariton ist eine der herausragendsten Schöpfungen Gustav Mahlers. Er verbindet die Intimität des Liedes und die Ausdruckskraft der Worte mit der symphonischen Klangwelt insbesondere der spätromantischen Wucht Gustav Mahlers. In seiner Klavierfassung spürt der Zuhörer wie die eigene Klangwelt des Klavier Stimmungsbilder, die die Worte in Musik fassen, durch Nähe und Unmittelbarkeit berühren. Dem sanften Zwang kann er sich ohne die majestätischen orchestralen Klangentladungen nicht entziehen. Tod und Leben stecken in den Versen, die chinesischen Gedichten entstammen und von Hans Bethge in „Die chinesische Flöte“ auf deutsch nachgedichtet wurden. Dieser spannungsgeladene Gegensatz wird in sechs Teilen oder Sätzen vertont, wobei sich der Bogen von den getragenen düsteren Motiven des Jammers der Erde und dem Herbst bis zu den heiteren des Frühling und Abschied spannt.  Der letzte Satz nimmt einen breiten Raum an und drückt die beklemmenden Emotionen der Vergänglichkeit, Trauer und der ungewissen Hoffnung auf Ewigkeit aus. Mit Bruno Walter verband Gustav Mahler eine enge Freundschaft und er dirigierte auch die Uraufführung kurz nach dessen Tod und setzte sich für die Verbreitung des Werkes des umstrittenen Komponisten ein.

Die Solisten singen abwechselnd. Klaus Florian Vogt beginnt. Nicht nur die neue Frisur wirkt befremdend, auch seine glöckchen helle Tenorstimme dringt nicht in die Gefühlswelt Mahler mit seiner Schwermut und kräftigen Farben ein. Wagner und die Dramatik der großen Oper schimmern durch. Die Ruhe und schwebende Leichtigkeit des Liedgesanges bei höchsten Ansprüchen an die Stimme kommen vereinzelt durch. Im fünften Satz „Der Trunkene im Frühling“ begrüßt er den Lenz, seine Worte erinnern an Siegmunds Wonnen.

Christian Gerhaher genießt höchste Anerkennung als Liedsänger und ist häufiger am Podium als auf der Bühne anzutreffen. Er versteht es die Musik und Worte zu verinnerlichen und in einem Guss vorzutragen. Gebannt folgt der Zuhörer selbst am Bildschirm. Piano, Pausen, bedachte Melodiebögen setzt er als Stilmittel gekonnt ein. Er führt seine Stimme leicht mit großen Atemreserven, moduliert geschickt und formt verständlich die Worte. Im Schlußgesang „Im  Abschied“ versinkt er in seine Gedankenwelt des Abschiedsschmerzes, als ob es sein eigenes Schicksal wäre. Ruhig steht er vor dem Notenpult, sein Blick ist in die Leere gerichtet aber spricht zum Publikum.

Am Klavier verzaubert Gerold Huber meisterhaft mit allen Facetten der Komposition und dem weit angelegtes Klanggerüst. Gustav Mahler machte sich selbst große Sorgen, ob dieses Werk überhaupt spielbar, dirigierbar sein wird. An diesem Montag konnten die Zuschauer im Stream die positive Antwort klar erleben. Lang wirken die letzten Töne in der Übertragung aus dem leeren Nationaltheater nach.

 

Das Montagsstück XVII: Das Lied von der Erde, mit Bariton Christian Gerhaher, Tenor Klaus Florian Vogt und Gerold Huber am Klavier ist noch im Live-Stream auf STAATSOPER.TV zu erleben.

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