Grosses Drama in der Opera de Paris um Georg Friedrich Händels Oratorium Jephtha

Xl_img_1123 © Opera de Paris
Georg Friedrich Händel komponierte dieses dramatische Oratorium mit der düsteren Geschichte um den altbiblischen Helden Jephtha, seinem verhängnisvollem Schwur und der göttlichen Erlösung im hohen Alter 1751 bis 1753 als eines seiner letzten Werke. Sein eigener Gemütszustand war in dieser Zeit auch von seiner fortschreitenden Erblindung geprägt, welche die Arbeit an dem Werk erschwerte und verzögerte. Die Form des dramatischen Oratoriums wurde von Händel geschaffen und stellt eigentlich wiederum eine Form der Oper dar, Arien und Rezitative werden mit grossen Chorpassagen ergänzt. Biblische Stoffe bilden meist den Inhalt, aber die Oratorien selbst sind keine liturgischen Werke und wurden auch nicht in Kirchen sondern konzertant in Theatern aufgeführt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass nunmehr diese Werke in der Suche nach ausgefallenen neuen Repertoirestücken von Regisseuren und Opernhäusern für Neuinszenierungen ausgesucht werden. So auch in Paris geschehen und von Claus Guth umgesetzt. Jephtha, der Sohn des verstorbenen Richters Gilead ist von seinen Halbbrüdern verstossen worden und lebt in dem unwirtlichen Land Tob als Freibeuter mit seiner Frau Stroge und seiner Tochter Iphis. Als die Ammoniter das Volk Israel bedrängen, bittet sein Halbbruder Zebul den tapferen Helden um Hilfe. Jephtha fordert beim Sieg das Richteramt und die Führerschaft, welches ihm gewährt wird. Bevor er in die Schlacht zieht, gelobt er Gott, bei seinem Sieg den ersten Menschen, der ihm bei seiner Rückkehr begegnet, zu opfern. Diese schicksalshafte Begegnung findet zwischen ihm und seiner Tochter statt. Alles innige Flehen seiner Gemahlin und Hamors, dem Verlobten seiner Tochter hilft nichts, Jephtha ist gewillt seinen Eid zu erfüllen und wird eindringlich von seiner Tochter unterstützt. Anders als in der biblischen Vorlage wird im Oratorium Händels das Menschenopfer durch göttliches Einschreiten verhindert. Ein Engel verkündet, dass Iphis nicht geopfert, sondern fortan als Jungfrau leben soll. Ein wirkungsvoller Stoff und eine dramatische Handlung, die sich durchaus für eine szenische Umsetzung auf der Bühne eignen. Claus Guth entscheidet sich für eine abstrakte Interpretation in zeitlosen Kostümen und auf leerer Bühne - beides von Katrin Lea Tag gestaltet. Die beginnenden Worte "It must be so" - so muss es sein- erringen schicksalshafte Bedeutung und begleiten den Helden die gesamte Aufführung, indem sie immer wieder in unterschiedlicher Grösse und Zusammensetzung lautlos quer über die Bühne wandern. Videoinstallationen von Arian Andiel sorgen für effektvolle Wirkung besonders in den orchestralen Schlachtszenen, indem die Standarte grossflächig geschwungen wird. Mit Blitzlicht- und Spoteffekten im Lichtdesign von Bernd Purkrabek werden Rückblenden und Handlungsteile eingefügt. Größte Ausdruckskraft muss aber der einfühlsamen Personenregie von Claus Guth selbst zugesprochen werden. Die Verzweiflung, die Hilflosigkeit des vormals strahlenden Helden wird von Ian Bostridge als Jephtha in seiner Körperhaltung eindrucksvoll ausgesendet, wie er insgesamt an diesem Premierenabend in jeder Hinsicht brilliert. Seine Stimme zeigt sich in Bestform, die anspruchsvolle Partie scheint ihm keine Schwierigkeiten zu bereiten. Sauber intoniert er die Spitzentöne, leicht und elegant klettert er die Tonleitern rauf und runter, mischt Tonstärken kontrolliert und moduliert die Farbpallette seines hell timbrierten Tenors. Tim Mead als Hamor besitzt einen ebenso kräftigen wie facettenreichen Countertenor. Mühelos und erfrischend wagt er sich an hohe Lagen, bleibt lyrisch und einfühlsam, gewinnt Volumen und nutzt die emotionale leidend geprägte Stimmlage effektvoll. Dazu paart er hohes schauspielerisches Können und eine überzeugende Bühnenpräsenz. Viel Dramatik und metallener Glanz liegt in der Altstimme von Marie Nicole Lemieux, die als verzweifelt flehende Storge in ihren fahrigen Gesten sehr konträr zu den harmonisch langsam fliessenden Bewegungen der Helden erscheint. Die junge Engländerin Katherine Watson hat sich als Barockspezialistin mit ihrer hellen, weichen Sopranstimme etabliert. Auch als liebende heldenhafte Tochter Iphis gestaltet sie ihren Auftritt vielversprechend untermauert mit einer jungen selbstbewussten Stimme, die anspruchsvolle Koloraturen und Läufe und Lagenwechsel meistert. Kurz aber prägnant und wahrlich engelsgleich die Erscheinung von Valer Sabadus als rettender Engel. Barfuss im dunklen Anzug mit weit ausladenden Engelsflügeln tritt er aus der Menge des Volkes heraus und durchsticht die bedrückende ergreifende Stimmung mit seinem jugendhaft und silbrig hell klingenden Countertenor. Das wahre Fundament für den Erfolg dieser Neuproduktion gestalten aber der Chor und das Orchester des Arts Florissants unter der Gesamtleitung seines Gründers William Christie. Auf die Barockmusik ist dieses Ensemble ausgerichtet und dementsprechend spezialisiert mit Originalinstrumenten ausgestattet. Schwungvoll tänzerisch bleibt hier auch die schwermütig und feierlich angelegte Musik trotz massvoller Tempi und ohne jeglichen Effekt heischenden Übermut. William Christie zieht Chor und Sänger intensiv in sein Dirigat ein, verbindet so Orchestergraben und Bühnengeschehen. Unermüdlich bleibt er nah an der musikalischen Gestaltung, spannungsgeladen gelingen die Ouvertüre und orchestrale Zwischenspiele, die Instrumentalsolisten folgen konzentriert und harmonieren mit den Sängern. Der Chor ist bestens vorbereitet und einstudiert und bleibt auch schauspielerisch ein tragendes Element. Nach über drei Stunden drückt das aufmerksame Publikum weitgehend seine Zustimmung zu dieser szenischen Interpretation von Georg Friedrich Händels Oratorium aus und ist von den musikalischen Interpreten begeistert. | Drucken

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