Große Stimmen mit lautem Geläut in der Wiederaufnahme von Boris Godunow in München

Xl_4304a064-04f6-41a9-8163-bc31fc5a5003 © Winfried Hösl

Modest Mussorgski Boris Godunow Bayerische Staatsoper 17.1.2024

Große Stimmen mit mächtigem Geläut in der Wiederaufnahme von Boris Godunow in München

Die wahre historische Handlung von Modest Mussorgskis Oper Boris Godunow um die Machtkämpfe im zaristischen Russland verlegt Calixto Bieito in die Jetztzeit und einen modernen Allgemeinplatz. Militar drangsaliert das Volk, Oligarchen rund um den Herrscher versuchen sich zu ihrem Vorteil zu positionieren, der Diktator übt Willkür aus. Rebecca Ringst gestaltet dazu ein mächtiges wandelbares Bühnenbild. Ein Stahlkoloss öffnet sich und wird zum drehbaren Zarenpalast mit Kronleuchter und moderner Sitzlandschaft, Schlafzimmer und Versammlungsraum. Ingo Krügler steckt den Chor als das russische Volk in farbige einfache Kleidung, die politischen Führer in dunkle Anzüge und rote Kravatten.

Das vierstündige Werk wird auf zwei einhalb Stunden ohne Pause in dieser 2013 entstandenen Inszenierung gekürzt. Dies steigert die dramatische Wirkung um den frisch zum Zar berufenen Boris, der mit der Ermordung des Thronfolgers von Iwan des Schrecklichen noch seiner Karriere nachgeholfen hat. Doch der Mord an dem jungen Dimitri holt den Zaren in seinen Träumen ein und er vegfällt dem Wahnsinn, während seine Familie bereits dem Nachfolger zum Opfer fällt. Macht und Machtmissbrauch, Unterdrückung und Gewalt werden vom katalanischen Regisseur thematisiert und unverblümt auf der zumeist dunklen Bühne dargestellt. Mit der typischen Melancholie der russischen Romantik und auch der Volkslieder wird die Geschichte musikalisch ausgekleidet.

Stimmlich ist die Wiederaufnahme an der bayerischen Staatsoper eindrucksvoll mit russischen Sängern besetzt. Allen voran glänzt Dmitry Ulyanov als Titelheld. Mit seiner kräftigen vollmundigen Stimme durchdringt er das Haus. Mit sicherer Führung erzeugt er lyrische feine Gesangsbögen. Farblich versteht er seine Stimmungen und seinen geistigen Verfall auszudrücken. Dazu zeigt er sein schauspielerisches Talent. Mit natürlicher Ausstrahlung ist er sehr präsent als wankelmütiger Herrscher, der seinem Verfall brutal begegnet und am Ende seine väterlichen Gefühle zeigt. Vitalij Kowaljow erzählt als Geschichtsschreiber Pimen mit väterlichem Ausdruck seine Erlebnisse rund um den mysteriösen Tod des Zarensohnes. Auch seine Stimme kann sehr nuanciert Gefühle zum Ausdruck bringen. Leicht setzt er Melodiebögen und intoniert sehr transparent. Fürst Schuiskij wird von Evgeny Akimov mit guter Inspiration dargestellt. Auch seine Geschichte um den Kindsmord bekommt eine mysteriöse Note. Der Wandermönch Walaam ist bei Milan Siljanov gut aufgehoben. Ebenso gestaltet Ensemblemitglied Kevin Conners den Gottesnarr sehr gekonnt.

Boris Godunow wird auch als Choroper beschrieben, da einige großangelegte Szenen von diesem dominiert werden. Johannes Knecht hat den Chor der bayerischen Staatsoper bestens für diese anspruchsvolle Aufgabe vorbereitet. Homogen und klar mit viel russischer Seele zeigen sich die große Zahl der Chormitglieder.

Am Pult des Staatsorchesters läßt Dima Slobodeniouk Schwung und Dynamik vermissen. Er führt das Orchester zurückhaltend, begleitet mit Ruhe und läßt eigene Akzente und Ausdruckskraft vermissen. Er erzeugt zu wenig Spannung im Orchestergraben und läßt die Kirchenglocken besonders zu Beginn in stattlichem Übermaß läuten, dass der ganze Raum erdrückt wird.

Große Anerkennung beim Publikum und Applaus für alle Mitwirkenden

Dr. Helmut Pitsch

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