
Georg Friedrich Händel Giulio Cesare in Egitto HWV17 Salzburger Festspiele 3.8.2025
Giulio Cesare - Regie stürzt Händel in gedehnte graue Tristesse in Salzburg
Giulio Cesare in Egitto zählt zu den größten Erfolgen des Deutschen Georg Friedrich Händel, der über Jahrzehnte dss Musikleben Londons dominierte. 1724 erlebte die Oper ihre Uraufführung, bis heute ist sie fester Bestandteil der Opernspielpläne. Ihre szenische Neuproduktion durch Dmitri Tcherniakov eröffnete die diesjährigen Salzburger Festspiele. Es ist dies die erste Opernproduktion in Salzburg und seine erste Baroockoper für den gefeierten und umstrittenen russischen Regisseur.
Er verlagert die Handlung um die Machtergreifung und Eroberung Ägyptens durch den antiken römischen Helden in die Istzeit, in eine graue Unterwelt, einen Bunker mit drei Räumen/ Gängen als Einheitsbühnenbild, alle Protagonisten verweilen ständig gleichwertig auf der Bühne und treten nach Bedarf an den Bühnenrand. Über dem Bühnenbild laufen immer wieder rote Spruchbänder, eine kriegerische Gefahr ankündigend. Der Zusammenhang zur Handlung der Oper und somit ein szenisches Konzept fehlt. Wieso muss der siegreiche Held vor einer undefinierten Gefahr fliehen, wieso das ägyptische Geschwisterpaar. Der mystischen Rettung Cesars aus den Fluten misslingt erst recht als trauriger Regieeinfall.
Die Verdichtung der Handlung auf einen beengten Raum verstärkt den Blick auf die handelnden Personen/ Paare und deren Konflikte untereinander und miteinander. Die Kostüme von Elena Zaytseva sind modern alltagstauglich. Was über einen langen vierstündigen Opernabend bleibt, ist eine ab und an hektische Personenregie mit vielen Matrazen, die geschleppt werden und grossartigen stimmlichen Leistungen.
Mit vier Countertenören bekommt diese Opernproduktion einen besonderen musikalischen Klangorbit, die sich gegenüberstehenden und miteinander kämpfenden Helden ein neutralisiertes Profil. Im Zentrum steht der strahlende Sieger Giulio Cesare. Christophe Dumaux mimt den Titelheld mit männlicher Attitüde im Business Outfit mit Hemd und Krawatte. Seine Karriere hat besonders in den letzten Jahren an Geschwindigkeit gewonnen und er ist einer der führenden Countertenöre mit seinen hellen glöckchengleichen Spitzentönen geworden. Seine Kopfstimme ist beweglich, mit dramatischen Nuancen verliert sie an Kraft und Farbe. In seinem Liebesspiel mit Cleopatra und milden Taten kann seine Stimme ihre Vorzüge zeigen. Seinen Begleiter und Ratgeber Curio gestaltet Robert Raso, Mitglied des diesjährigen Young Singers Project der Salzburger Festspiele. Der junge US Amerikaner zeigt Reife und einen sicher geführten Bariton.
Federico Fuorio ist der Countertenor im Paar Sesto und seiner Mutter Cornelia, die die Ermordung des Vaters und Gatten Pompeo durch Tolomeo beklagen und auf Rache schwören. Fuorio entwickelt einen pubertären verwinkelten von der Mutter verhätschelten Charakter, der zu ungezügelten Ausbrüchen fähig ist, die Ermordung des Tolomeo inklusive. Seine Stimme meistert die sprunghaften Eskapaden der Partitur, lässt mit perlenden Koloraturen aufhorchen und kann auch dunkel schimmern. Lucile Richardot ist seine Mutter Cornelia, die von Tolomeo schmähende Vergewaltigung und Erniedrigung erleben muss. Leid und Hass mit einem Schuss Vergeltung dominiert ihre Färbung, Schmerz dringt in ihrem dunklen Mezzosopran durch. Zumeist in der Tiefe geführt verklärt sie stimmlich überzeugend die Rolle.
Olga Kulchynska ist die verführerisch weibliche Strippenzieherin im Wettstreit um Macht und Thron. Als Cleopatra schlüpft sie in die Verkleidung einer schmeichelnden süßen Dienerin mit langen rosa Haaren, um Cesar zu verführen und entledigt sich Perücke und Süße, um als Aspirantin für den Thron ihre Ansprüche mit Nachdruck und ihre List auch mit Gewalt durchzusetzen. Dies setzt sie eindrucksvoll mit ihrem lyrischen Sopran um, der viele Schattierungen aufblühen lässt. Ihren willfährigen Diener Nireno übernimmt der dritte Countertenor Jake Ingbar, der in kurzen Auftritten eine durchaus kräftig markante Stimme präsentiert.
Mit Yuriy Mynenko ist die von der Regie schrill definierte Rolle des Tolomeo bestens besetzt. Der Ukrainer fasziniert als fieser unreif verklemmter Herrscher. Eine lange blonde, das halbe Gesicht verdeckende Strähne markiert auch äußerlich seine Verschlagenheit. Sein Countertenor besticht durch Fülle und Farbigkeit, dringt auch in die Tiefe, wenn gleich auch immer wieder die Bruststimme durchdringt. Auch erlaubt seine Stimme ausgedehnte Melodiebögen, die er effektvoll in die Darstellung einarbeitet. Sein Begleiter und treuer Diener Achilla ist bei Andrey Zhilikhovsky gut aufgehoben. Vornehm zurückhaltend und treu verfolgt er seinen Herren, hält ihn auch ruhig zurück. Erst als seine Liebe für Cornelia von seinem Herren missachtet wird, tritt er aus seiner Gefolgschaft heraus und zeigt ausbrechende Gefühle, die sein Bariton gut umsetzt. Samten gebettet und weich timbriert hebt er sich wohlig vom Counterquarrett ab.
Im Orchestergraben steht der Bachchor Salzburg, der in wenigen Auftritten in Erscheinung tritt. Als Orchester fungiert Le Concert d‘Astrée, ein Instrumental- und Vokalensemble, das 2000 in Frankreich von Emmanuelle Haïm gegründet wurde und sich der Interpretation der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts widmet. Haïm steht auch in Salzburg am Pult des großbesetzten Klangkörpers mit einigen Originalinstrumenten erweitert. Weich und geschmeidig ist ihr Verständis für die Barockmusik, Dramatik nähert sie sich verhalten und setzt so wenige Akzente die zum dtatischen farblosen Bühnengeschehen wünschenswert gewesen wären. Mit Feingefühl begleitet sie die Sänger und Sängerinnen, setzt die Instrumentalsolisten markant an deren Seite und malt Gesangslinien gefühlvoll aus und spinnt sie weiter. Ein durchgehender Spannungsbogen kommt auch musikalisch nicht zustande.
Viel Applaus und rascher Aufbruch im ausverkauften Haus.
Dr. Helmut Pitsch
Copyright Monika Rittershaus
09. August 2025 | Drucken
Kommentare