Genoveva in Innsbruck Ein unterschätztes Juwel will trotz Politur nicht strahlen

Xl_genoveva-6308 © Birgit Gufler

Robert Schumann Genoveva Tiroler Landestheater 5.10.2022

Genoveva in Innsbruck Ein unterschätztes Juwel will trotz Politur nicht strahlen

Robert Schumann ist bekannt für seine Symphonien, Lieder und Klavierwerke. Bedeutend war auch seine Tätigkeit als Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift für Musik. Der studierte Jurist begann seine musikalische Laufbahn erst spät mit Unterstützung von Felix Mendelssohn Bartholdy und seines Schwiegervaters und Klavierlehrer Friedrich Wieck.

Dem Genre Oper hat er nur Genoveva hinterlassen, trotz vieler Ideen und Anläufe. Die Handlung basiert auf der Tragödie von Friedrich Hebbel. Die edle und fromme Genoveva ist mit dem Grafen Siegfried verheiratet, der für Karl Martell in den Krieg zieht und sie der Obhut des Lehensknecht Golo überlässt. Dieser spinnt aus verschmähter Liebe zu Genoveva eine Intrige und Verleumdung Genovevas, die zur deren Verurteilung und Hinrichtung führt. Im letzten Moment kann sie von Siegfried gerettet werden, dem der Verrat offengelegt wurde. Ein Happy End schließt die Oper.

Schumann hat am Libretto selbst handangelegt. Rasch spielt sich die Geschichte ab, es gibt keine großen Szenen oder Arien. Zumeist wird in ausladenden melodiösen Rezitativen gesungen. Die Musik steht vorsichtig am Beginn der Romantik, das Erbe der Wiener Klassik ist spürbar. Dramatik wird nur dosiert ausgekostet. Der Orchesterpart ist großflächig und episch gefühlvoll angelegt. Der Symphoniker Schumann mit Stimmungsbildern ist klar herauszuhören. Die Musik fließt ohne Höhepunkt, wirkt monoton und setzt keinen durchgehenden Spannungsbogen. Große Chorszenen heben sich erfrischend ab. Das Werk ist nach der mäßig erfolgreichen Uraufführung 1850 schnell in Vergessenheit geraten. In Anbetracht der Bemühungen im 20. Jahrhundert Unbekanntes zu entdecken kam es verstärkt zumeist konzertanten Aufführungen.

Das Tiroler Landestheater bringt nun eine szenische Neuinszenierung durch den Intendanten Johannes Reitmeier als „unterschätztes Juwel“ tituliert. Reitmeier gelingt es in optisch ansprechenden Bildern, unterstützt von geschickter Lichtregie und dezenten teilweise historisierten Kostümen besonders durch eine ausgefeilte Personenregie eine überzeugende und verständliche Darstellung auf die Bühne zu bringen. Die Frömmigkeit und der Glaube sind omnipräsent durch Kreuze und den Gekreuzigten umgesetzt. Klug lässt er Genoveva als vom Glauben entfremdet als Blinde mit langen blonden Haaren auftreten, die so noch leichter von Golo manipuliert werden kann oder könnte. Die Drehbühne ist nur mit wenigen Requisiten versehen, zumeist werden Naturstimmungen auf herabhängende Stoffbahnen projiziert.

Sängerisch wirkt eine starke sehr gut zusammengestellte Künstlerauswahl mit vielen Rollen vom Ensemble besetzt.  Susanne Langbein erscheint mit ihrem dunkel jugendlichen Timbre wie eine Idealbesetzung der Titelfigur. Mit dunkler Sonnenbrille, Zopf und ausladendem Kleid hebt sie sich markant vom Umfeld ab. Fein und ruhig, nahezu entrückt singt sie ihre Partie und mischt einen Schuß Naivität mit nobler Abstinenz. Jon Jürgens meistert mit weichem Belcanto die Rolle des Golo. Seine Tenorstimme bleibt auch in der Höhe klar und voll, führt die Melodien elegant wohlintoniert. Alec Avedissian ist ein sicherer Pfalzgraf Siegfried, zeigt aber wenig Strahlkraft und schauspielerische Qualität. Johannes Maria Wimmer gefällt mit warmen Timbre und vollem Bassbariton als Drago, der besonders als Geist stimmungsvoll die verräterische Margarethe zur Einsicht treibt. Maria Markina ist kurzfristig für Irina Maltseva als Margarethe eingesprungen und kann mit einem kräftigen Mezzo und feiner Melodieführung punkten. Dazu zeigt sie schauspielerisches Talent und eine gesunde Bühnenpräsenz.

Generalmusikdirektor Lukas Beikircher lobt im Programmheft die Qualität der Musik, des Werkes und bemüht sich erfolgreich diese aus den Musikern herauszuarbeiten. Ein voller exakter Orchesterklang verbreitet ein wohlig stimmungsvolles Gefühl im Haus, farbenreich wird die Handlung untermauert und besonders den Sängern ein tragender Unterbau geliefert.

Am Ende steht eine aufschlußreiche erfreuliche Begegnung mit dieser Opernrarität, die mehr durch die Qualität der sehr gelungenen Umsetzung strahlt als durch dessen Komposition.

Viel und langanhaltender Beifall für alle Beteiligten vom eher spärlich erschienenen Publikum.

Dr. Helmut Pitsch

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