Frühlingserwachen in musikalischer Perfektion bei den Klaviertage /Tiroler Festspiele

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Klaviertage Erl Tiroler Festspiele 30. und 31.3.2023

Frühlingserwachen in musikalischer Perfektion bei den Klaviertage /Tiroler Festspiele

Die Klaviertage sind die künstlerische Osterbotschaft der Tiroler Festspiele und ergänzen das Jahresprogramm zwischen Winter und Sommersaison. An vier Tagen finden Solisten und Orchesterkonzerte mit großer Programmbreite von Barock bis Moderne statt. Der intime gediegene akustisch perfekte Bau des Festspielhauses liefert den architektonisch eindrucksvollen Rahmen.

Gleich zu Beginn springt die Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln Claire Huangci für den erkrankten Pianisten Lukas Sternath ein, sodaß Intendant Bernd Loebe bei der Ansage witzelt, dass es nunmehr Huangci Festspiele werden, da sie an drei Abenden auftreten wird. Mit ihrem Temperament und der perfekten Technik reitet sie mit atemberaubender Geschwindigkeit über die Tasten. Das beeindruckt und bringt ihr hohe Anerkennung und Aufmerksamkeit beim Publikum. Manche mehr ausgekostete Lyrik gerade bei der Klaviersonate Nr 9 a moll KV 310 von Wolfgang Amadeus Mozart oder gerade bei der letzten Klaviersonate Nr 21 B Dur DV 960 von Franz Schubert wären wünschenswert gewesen. Aber ihre Sicherheit, saubere Anschlagtechnik bis in den feinsten Pianitrillern und ihr Umgang mit den Pedalen überzeugen. In Ludwig van Beethovens Waldsteinsonate Nr 21 C Dur op 53 schöpft sie gerade im dritten Satz Klangfülle und atmet in besten nuancierten Crescendi orchestrale Fülle. Im zweiten Satz versinkt sie in gedankenvolles Spiel.

Am folgenden Abend ist sie mit Maurice Ravels Klavierkonzert D- Dur für die linke Hand zu erleben. Das Auftragswerk für den Wiener Kriegsinvaliden Paul Wittgenstein ist einmalig in seiner Ausgestaltung. Der Komponist hatte das Ziel es wie für zweihändig wirken zu lassen. Die Klangfülle, die Harmoniebreite und damit die pianistische Herausforderung ist außergewöhnlich und erreicht diesen Anspruch. Die grundsolide Technik Hongcis untermauert ihre furiose Interpretation. Mitsamt Hocker gleitet sie mühelos und behende über die gesamte Tastatur. Hochkonzentriert achtet sie auf die Solisten aus dem Orchester und stemmt sich kraftvoll gegen die mitunter überbordende Orchesterbegleitung. Erik Nielsen, Chefdirigent des Tiroler Festspielorchester zeigt an diesem Abend die Qualität und das musikalische Vermögen des jungen Orchesters als auch seiner selbst. Mit Routine und professionellem Können setzt er sich neben der jungen Amerikanerin auf den Klavierhocker und bestreitet mit ihr hinreißend die Zugabe vierhändig.

Mehrmals im Jahr treffen sich die aus vielen Nationen stammenden und international tätigen Musiker des Orchesters in Erl, um ihre Auftritte vorzubereiten. Der Klangkörper ist über das heuer 25 jährige Bestehen der Festspiele zusammengewachsen. Das Programm des Abends ist dem französischen Impressionismus und der Moderne um die beiden Komponisten Claude Debussy und Maurice Ravel gewidmet.

Debussys „Prélude a l’après-midi d’un faune“ ist in seiner Reputation eng mit dem bahnbrechenden Wirken und Erfolges des Balllet Russes und dessen Leiter Sergej  Djagilew verbunden. Die tänzerische Ausgestaltung von Vaslav Nijinsky als Faun ist bis heute Kult. Mit harmonischer Phantasie fängt der Komponist die Atmosphäre und das Bild der zugrunde liegenden Poesie Stephane Mallarmes ein. Erik Nielsen lässt mit zarten vielschichtigen Piani und runden Melodiebögen das Bild vor den Augen der Zuhörer lebendig aufleben. Der Hirtengott Pan mit seiner Flöte, seine Träume, seine Herden auf den grünen Wiesen sind im Raume gegenwärtig.

Schwungvoll, rhythmisch und farbenreich wird es in der anschließenden beliebten Rapsodie espagnole von Maurice Ravel. Es ist eine Apotheose an die Heimat seiner Mutter. Der an der Grenze zu Spanien Geborene war von dieser Kultur und Musik verzaubert und greift immer wieder auf dessen Folklore zurück . In den vier gegensätzlichen Sätzen erlebt der Konzertbesucher eine mystische Nacht, Leidenschaft in Malaguena, gefolgt von einer gefühlsbetonten lustvollen Habanera. Im Finale findet er sich in einer ausgelassenen Feierstimmung wieder. Auch hier wieder zeigt das Orchester seine Souveränität, in einer Vielfalt von Ausdrücken und Stimmungen eine authentische Interpretation zu liefern.

Wieder wird ein Stilleben musikalisch in La Valse von Maurice Ravel gemalt. Mit dem Untertitel „Poeme choreographique pour Orchestre“ werden diese Bilder zur tänzerischen Darstellung projiziert. Verschwommen von Nebelschwaden eingehüllt blitzen immer wieder Walzertakte hervor bis sich immer mehr das Bild eines Tanzsaals herausschält. Die Klänge werden reiner und vollständig, der Walzerthythmus der Musiker zieht uns immer mehr hinein in das Bild.

Technische Virtuosität und rhythmische Sicherheit mit einer zündenden Begeisterung prägen das Abschlusswerk, der legendäre Bolero wiederum von Maurice Ravel. Das berühmte Werk reisst immer wieder mit, lässt immer wieder neue Fassetten entdecken. Mit bewundernswerter Präzision wird vom Trommler der Takt über das gesamte Werk geschlagen. So treibt er alle Instrumentalsolisten vor sich her, die das durchdringende Leitmotiv vorstellen. Die Monotonie ist gekonnt beklemmend von den Musikern ausgekostet bis kurz und prägnant die letzten Takte es magisch leicht auflösen.  

Großer Jubel und Beifall für die grandiose Leistung der Musiker, die mit diesem abwechslungsreichen Programm jeden Erreichten.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

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