Festspiele München Richard Strauss Salome modern als Oper im Schauspiel

Xl_img_1539 © Wilfried Hösl

Der Blick auf die Bühne ist frei, wenn der Zuschauer den Saal betritt. Die Bühne ist verkleinert und wir befinden uns in einer Bibliothek, eine grosse Bücherwand schliesst an den drei Seiten den Raum ab. Der Vorhang schliesst sich und öffnet wieder. Das Spiel beginnt. Aber nicht mit Richard Strauss.

Krzysztof Warlikowski, der Regisseur dieser Neuinszenierung von Richard Strauss herausragendem Werk Salome hat seine eigenen Gedanken zur Werksdeutung und gestaltet ein Schauspiel um die Oper, welches mit einem kurzen Vorspiel zur Musik von Gustav Mahlers Kindertotenlieder Nr. 1 voran. "Nun will die Sonn so hell aufgehn" singt Katleen Ferrier vom Band gespielt, aber an diesem Abend will keine Sonne aufgehen. Eine Gruppe von Juden versammelt sich in dieser Bibliothek, scheinbar auf den Abtransport oder ihre Gefangennahme durch die Nationalsozialisten wartend. Die Kostüme von Malgorzata Szezesniak spiegeln die 30iger Jahre wieder. Martialische Klopfgeräusche schrecken die Gruppe auf und beenden den ruhigen Prolog. Aufgeregt und scheinbar unkoordiniert agiert eine elegante Gruppe von Juden im Raum, der sich auch noch wie eine Geheimtür öffnet und wir erhaschen einen Blick in ein Versteck hinter der Bühnenwand, genauso wie im Tagebuch von Anne Frank. Die sitzt auch dort als junges Mädchen auf einer Bank in ein Buch vertieft und taucht so immer wieder an diesem Abend auf. Endzeit- oder auch Todesstimmung ist allgegenwärtig und der Choreograph dieses Abends. Kurzes Spot aus und unvermittelt sprunghaft ohne Überleitung beginnt mit dem Taktstock in der Hand von GMD Kirill Petrenko der Opernabend. Unprätentiös ohne grosse Ouvertüre sind wir in der Handlung von Richard Strauss Salome. Naraboth sitzt im Lehnstuhl im dunklen Anzug. Pavol Breslik kann in dieser Rolle die Vorzüge seines jugendlich anmutenden Tenors ausspielen. Lyrisch feingeschliffen bewundert er die Junge Tochter seines Herren Salome, gefühlgeladen begehrt er diese anschliessend, um am Ende sich mit einer Dosis Gift das Leben zu nehmen. Rachel Wilson ist der Page, der Herodias, hier im grellgrünen Kleid auf der Lehne neben Naraboth sitzend. Sehr klar und nüchtern ehrlich kommt ihr reiner sehr verständlicher Gesang. Ihre Verehrung für den schönen Hauptmann Naraboth dringt durch und sie hält seinen leblosen Körper den gesamten Abend in den Armen. Da erscheint Salome aus dem Hintergrund in dem engen Raum. Im roten Kleid, kurze dunkle gewellte Haar - eine junge Frau, ihrer Schönheit und Wirkung bewusst. Marlis Petersen wirkt unglaublich authentisch, als spiele sie sich selbst. Sie bewegt sich locker und setzt in ihrem Spiel im Körpereinsatz keine Grenzen. Da wird sie von Naraboth von Johanaan gewaltsam am Boden wegzehrt, gibt sich erotisch aufreizend im verfremdeten Schleiertanz mit dem Tod, spreizt hingebungsvoll die Beine in die Luft oder sitzt verkrümmt wie ein beleidigtes Kind unterm Tisch, um den lüsternen Stiefvater noch mehr herauszufordern. Zeigt sich Ambiente und historische Einordnung dieser Salome Inszenierung fragwürdig und kontrovers, umso mehr gewinnt der Abend in der Personenregie, Aufteilung des Bühnenraums und Zeichnung der Charaktere.

Krzysztof Warlikowski setzt sich intensiv mit den Beziehungen, Gefühlen und Problemem jedes einzelnen auseinander und fügt das Geflecht kunstvoll in der Gestik und Mimik zusammen. Das Ergebnis ist packend, bewegend, herausfordernd und ästhetisch. So auch im Schlussbild. Salome bekommt keine Silberschüssel und keinen Kopf des Jochanaan, sondern ein nüchternes Paket mit Nummer wie es für die letzten Habseligkeiten der Juden im Konzentrationslager üblich war. Um dieses Paket kreisen die Gedanken, Gelüste und Phantasien der verstörten und um Liebe und Anerkennung suchenden Königstochter.

Marlis Petersen kniet in der Bühnenmitte, der Raum ist wieder einmal weit geöffnet einsam im grellen Licht und verfällt traumatisch in ihre Welt. Nicht nur meistert sie stimmlich diese höchst anspruchsvolle Partie zwischen Dramatik und Lyrik, sondern bleibt in bester Form wortverständlich und es gelingt ihr auch noch Facetten von Klangfärbungen, weit geformte Klangbögen und Legati zu ziehen. Ihr Gesang wirkt unaufgeregt, leicht und ohne Druck. Ihr Sopran erlaubt ihr Helligkeit in der Höhe und Klarheit mit Färbung in der Tiefe und einen weichen Sprechgesang. Beste Voraussetzungen für diese Partie. Ebenso überzeugt Wolfgang Ablinger-Sperrhacke mit seiner Darstellung des König Herodes. Er arbeitet die verschlungenen Gedankenwege und Gelüste des kaltblütigen leicht verirrten Herrschers heraus. Fies und falsch klingt sein Buhlen um die Gunst Salomes, machtbesessen und blutrünstig sein Befehlston. Meisterhaft windet er sich in seinem Eid und kämpft um seinen Kopf. Seine Stimme gibt ihm hier jeglichen Freiraum für die Rollenzeichnung. Wolfgang Koch kriecht aus dem Kerker und seinen Jochanaan zeichnet der Regisseur heruntergekommen und pennerhaft. Wenig jugendliche Strahlkraft wirkt hier sondern ein gescheitertes Leben, das kaum an der Luft zur Zigarette greift. Im Birkenstock Sandalen schlurft er auf der Bühne und kehrt nicht in den Kerker zurück. Ein weiterer Regieeingriff. Er bleibt den ganzen Abend im Bühnenhintergrund und erst kurz vor seiner Hinrichtung wandelt er im Vordergrund und sitzt am Ende neben Herodes und seiner Frau, das Geschehen um die Königstochter beobachtend. Das Schauspiel im Schauspiel. Stimmlich bleibt Wolfgang Koch ohne Strahlkraft und würdige Autorität in der Klangfülle. Michaela Schuster schneidert mit ihrem scharfen aber klaren Mezzo eine herrschaftliche machtbewusste Herodias, die diplomatisch ihre Ziele verfolgt. Vieldeutig ist das Ende dieses szenischen Regiekonzeptes. Die Oper als Schauspiel im Schauspiel endet mit Salome im gross aufgedrehten Scheinwerferlicht. Herodes reicht seiner Gattin und Jochanaan eine Ampulle mit Gift, Naraboth steht von den Toten auf und tut Gleiches für den Rest der Versammelten und es kommt zum kollektiven Selbstmord, der dem Abtransport ins Konzentrationslager vorgezogen wird. Das Schauspiel endet.

Brilliant arbeitet am Pult Kirill Petrenko mit dem bayerischen Staatsorchester die Klangfarben der Partitur von Richard Strauss. Er zerlegt die Farbtöne minutiös, zeichnet klar und mischt sie gefühlvoll zusammen ohne zu zerfliessen. Dabei wirft er mutig volle Farbtöpfe wuchtig darüber, die harmonisch in das Bild eintauchen. Bedächtig baut er die Gesangstimmen ein, niemand muss gegen die Orchestermacht ankämpfen sondern wird von ihr eingehüllt getragen. Die Bläser spielen in ungekannten Frequenzen, die das Klangbild transparent machen. Piani erhalten neue Grade der Hörbarkeit. Ein wunderbares Hörerlebnis, welches die Zuhörer mit Ovationen bedachten und Jubel für die Sänger.

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