Fenice Venedig- Faust wandelt zwischen Traum und Wirklichkeit ins nichts

Xl_faust © Michele Crosera

Charles Gounod Faust Teatro La Fenice 30.4.2022

Fenice Venedig- Faust wandelt zwischen Traum und Wirklichkeit ins nichts

Dicht und sehr fein ausgearbeitet ist die Regie des aus Andorra stammenden Regisseur Joan Anton Rechi. Der Schauspieler hat sich auch als Opernregisseur einen Namen für durchdachte Inszenierungen an verschiedenen Opernhäusern gemacht. Die Premiere dieser Neuinszenierung fand pandemiebedingt noch vor eingeschränkten Zuschauerzahlen statt. Nunmehr kann diese vor vollbesetzten und ausverkauften Haus stattfinden.

Das Filmgeschäft steht auch Pate für diese Inszenierung. Mephisto ist in den ersten Bildern der Regisseur und sitzt immer wieder in dem typischen Regiestuhl und gibt Anweisungen an einen Kameramann und die Darsteller auf einem Filmset. Der Film als Quelle der Rückkehr derJugend mischt sich mit der Handlung und Mephisto schlüpft in die Rolle eines Beteiligten und lenkt surreal das Schicksal der Handelnden.

Zuerst sticht er in einem hellen Anzug mit Umhang wie ein Zauberer hervor, der in seinen Gesten vermeintlich Zauberstücke vollbringt. Danach wechselt er den Zauberstab in einen Gehstock und mutiert zum Conferencier in dunklem Anzug oder Transvestit in einer varietehaften Walpurgisnacht.

Omnipräsent ist er zu Gange und läßt Faust und Marguerite keine Chance dem Unheil zu entfliehen. Die Bühne von Sebastian Ellrich ist ein weißes Stahlgerüst, das sich dreht und die einzelnen Teile auch verschieben läßt. Verräterisch hell ist die Bühne von Alberto Rodriguez Vega ausgeleuchtet. Ein großer roter Kußmund in Pop Art wird zum Liebesnest. Rasch ist die Abfolge der Bilder, zwischendurch fällt ein dunkler Vorhang mit einem weißen Halbkreis, wie ein Spot. Hier werden intime Szenen sowie die inneren Ängste und Kämpfe vor den Augn des Beetrachters entschlüsselt.

Spannung ist von Anfang an geboten und verdichtet sich. Die Personenregie ist gekonnt und ausgefeilt, aber bleibt ausgewogen. Auch die Chorszenen integrieren sich ohne schwerfällige Bewegungen. Den Auftritt der Soldaten nimmt er geschickt aus dem Ablauf der teuflischen Machenschaft und beläßt ihn als Probe für den Filmdreh.

Die Kostüme von Gabriela Salaverri fügen sich harmonisch und bildhaft ein. Das Juwelengeschenk ist ein silbern glitzernder Mantel, der den Varietecharakter unterstreicht.  Faust mutiert vom alten Mann im Rollstuhl zum strahlenden Playboy im Smoking. Märchen, Film, Phantasie und Realität fügen sich in unterschiedlichen Ebenen zusammen. Am Ende tötet Marguerite mit einem roten Kopfpolster ihr Kind im Kinderwagen und richtet sich selbst.   

Am Pult des Orchesters des Teatro La Fenice legt Frédéric Chaslin ein ebenso klares und temporeiches Dirigat an. Blühende ausufernde Romantik dämmt er und läßt dagegen die Pauken und Trommeln mächtig wirbeln. Was da aus dem Graben dringt hat Volumen und geht unter die Haut. Trotzdem begleitet er die Sänger gefühlvoll und mit Gespür.

Alex Esposito wird zur Inkarnation des Teuflischen. Sein Méphistophélès ist gehäßigt, bricht immer wieder in beißendes Gelächter aus und seine Freude über den Erfolg seiner tragischen Intrige drückt seine Verachtung gekonnt aus. Dazu setzt er seinen Bariton in feinsten Nuancen und breiten Klangfarben ein, säuselt Marguerite liebevoll ins Ohr und pflanzt den Dämon ein. Faust zieht er martialisch zur Rechenschaft und Valentin oder Marthe werden verachtend instrumentalisiert.

Nur Marguerite, ebenso ausdrucksstark von Carmela Remigio findet am Ende die Kraft gegen ihn aufzustehen. Voller Energie ist ihr dunkel gefärbter Sopran. Sicher und präsent ist ihre Höhe, fein intoniert und gehaltvoll sind ihre Arien.  Den Titelhelden Doctor Faust stellt Ivan Ayon Rivas dar. Der junge Peruaner gewann 2021 den Operalia Gesangswettbewerb und steht nun am Beginn einer internationalen Karriere. Sein Stimmumfang und seine Stimmkraft erlauben ihm eine beeindruckende Leistung, mitunter mit zuviel Druck. Seine Höhe ist gehaltvoll, seine Phrasierungen belcantest. Sein Spiel wirkt hölzern, aber seine sympathische Erscheinung vermittelt Bühnenpräsenz. Armando Noguera ist ein respektabler Valentin. Stimmlich führt der Argentinier seine Melodien klar intoniert, es fehlt an sattem Timbre. Im Spiel tritt er sehr präsent in Erscheinung. Paola Gardina als Siébel und Julie Mellor als Marthe Schwertlein runden die eindrucksvollen sängerischen Leistungen ab.  Den Chor des Teatro la Fenice hat Alfonso Caiani bestens einstudiert und vorbreitet.

Ungewohnt ungestümer begeisterter Applaus beim Publikum, das aufgrund der zur Zeit stattfindenden Biennale sehr international durchmischt ist.

Dr. Helmut Pitsch

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