Ergreifend ohne Geheimnisse legt die Passagierin in Innsbruck an 

Xl_08e96e28-037a-4521-bd3c-bb81d80b4027 © Birgit Gufler

Mieczysiaw Weinberg Die Passagierin Tiroler Landestheater 10.6.2022 

Ergreifend ohne Geheimnisse legt die Passagierin in Innsbruck an  

Das Libretto dieses ergreifend verpackten Dramas um das Schicksal der Häftlinge im KZ Ausschwitz basiert auf eigenen Erfahrungen und Erlebnissen der Autorin Zofia Posmysz. Zuerst entstand die Geschichte des Romans als Hörspiel mit dem Titel Die Passiegierin aus Kabine 45. später entstand eine Verfilmung, die sich wie die Oper in Rückblenden der Handlung nähert. 1968 ent stand die Komposition vom Mieczyslaw Weinberg. Der vor den deutschen Greueltaten in die Sowjetunion geflohene polnische Musiker galt als verfemt und seine Musik war verboten. Erst 2010 kam es zur vielbeachteten Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen.

Im Zentrum des Werkes stehen die Begegnungen der zwei unterschiedlichen Frauen, der Polin Martha als KZ Insassin in Auschwitz, und Anna Lisa Franz als ihre Aufseherin. Nach Kriegsende kommt es zu einem Wiedersehen auf einem Ozeandampfer. Lisa ist mit ihrem Mann Walter, einem deutschen Diplomaten, auf dem Weg zu seiner neuen Mission in Brasilien. Lisa glaubt in einer geheimnisvollen Passagierin Marta, die von ihr beaufsichtige jüdische Inhaftierte wiederzuerkennen. Angst, dass Ihre Identität und ihr Handeln aufgedeckt werden, ergreift sie, aber ohne Schuldgefühle. Sie verstrickt sich in eine gefühlslose Lebensbeichte gegenüber ihrem Mann. Dieser fürchtet nun als Mitwisser egoistisch um seine Karriere. Spannend bleibt die Identität der mysteriösen Passagierin, eine stumme Rolle, ungelöst.

Schuld, Verantwortung Verdrängung verpackt Weinberg in unglaublich prägnant bildhafter Musik. Jede Note, jeder Takt hat seine epische Gestalt und Bedeutung. Sein Lehrer Dmitri Schostakovich war ein großer Fürsprecher für diese Oper. Seine Klangsprache und Einfluss sind klar erkennbar. Tommaso Turchetta hat die musikalische Leitung der ersten Tiroler Aufführung übernommen. Der junge Dirigent nähert sich sehr behutsam mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck der expressiven Partitur. Präzision ist wichtig für die Aussagekraft des Werkes. Überlagerte Stimmführung,, harmonische Finessen und gefühlsstarke Tonfarben vermitteln jede Regung und Nuance der Handlung. Mehr Interpretation hätte dem Abend gut getan. Der Chor und Extrachor des TLT fügt sich stark in den Handlungsablauf ein.

Die Tiroler Erstaufführung inszeniert Hausherr Johannes Reitmeier. Thomas Dörfler startet den Versuch ein origenell wandelbares Bühnenbild für die beiden Schauplätze zu in gestalten. Holzpritschen als Symbol für das Lager stapelt er in Form eines Ozeandampfers. Ein Holztirm ermöglicht die Ebenen zu wechseln. Glühbirnengirlanden sollen füt weitere Athmosphäre sorgen. Wölbungen auf der Bühne erinnern an das bewegte Meer, zumeist als Schauplatz für das Lager genutzt. So richtig passt es aber für beide Schauplätze in der Stimmung nicht. Im Lager fehlt die Dichte und Trostlosigkeit des eingesperrt sein. Für das Schiffleben die richtige Raumaufteilung. Die große Kabine mit Terrasse, die ins Meer versinkt wirkt fremdartig und in Ermangelung von echtem Stauraum wird immer wieder aus dem Koffer gelebt. Wobei insgesamt wieder einmal viele Koffer zu erleben sind. Die Kostüme entsprechen der Zeit des Geschehens. Die Personenregie zeigt ergreifende Momente und Gesten zwischen den Lagerinsassen, exaltiert übertriebenes Getümmel der SS Aufseher und eine spannnungslose Auseinandersetzung zwischen Lisa und Walter, in deren Dramatik deutlich mehr stecken kann.

Eine besondere Intensität verleiht dem Werk der vielsprachige Gesang, um noch mehr Authenzität zu erreichen. Lisa, die überzeugt von ihrem richtigen Handeln und ohne Reue ist markiert Jennifer Maines. Mit langem blonden Haar oder streng aufgesteckt spielt sie geschickt mit ihren Charakterzügen. Kräftig ist ihr Gesang und sie verzichtet auf Nuancen. Ähnlich ist dies bei Roman Payer als Walter der Fall. Gegenfalls war diese übersteigerte undifferenzierte Aufregung eine Regieanweisung, lässt aber kaum noch fein modulierte Stimmungen und Steigerungen zu. Nadja Stefanoff versteht es Marta ein überzeugendes Bild zu geben. Mit Demut aber erhobenen Hauptes stellt sie sich den Demütigen. Überlegt mit Herz agiert sie gegenüber den Mitgefangenen. Die Begegnung mit ihrem Verlobten Tadeusz, innig und schön gesungen von Alec Avedissian, wird zu einem berührenden Moment. Aus den zahlreichen Mitwirkenden sei noch Susanne Langbein als ausdrucksstarke Katja erwähnt.

Viel bewegter Applaus und Anerkennung für das gesamte Ensemble, das sich sichtlich sehr über die so positive Resonanz und Akzeptanz des Werkes freut.

Dr. Helmut Pitsch

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