Epische Breite im Orchester und lyrische Gesangskunst in Salzburg

Xl_303093ba-ae3e-424c-a3da-d2e0b10a55ed © Marco Borelli

Orchesterkonzert Wiener Philharmoniker Daniel Barenboim Salzburger Festspiele 22.8.2022

Epische Breite im Orchester und lyrische Gesangskunst in Salzburg

Ein schwer von Krankheit gezeichneter und äusserlich veränderter Daniel Barenboim betritt den Saal und erreicht versunken schleichend seinen Sitzplatz auf dem Podest im großen Salzburger Festspielhaus. Die zwei Abende mit außerordentlichem Programm und erlesenen Gesangssolisten sind ausverkauft. Die Aufregung um, besser das Mitleid mit dem Maestro ist spürbar.

Seit Jahrzehnten prägt der in Argentinien geborene Dirigent das klassische Musikgeschehen in seiner Wahlheimat Berlin aber auch an vielen anderen Stätten. Zahlreiche künstlerische Projekte hat der agile Kulturmanager ins Leben gerufen. Für seine Konzerte am Pult der Wiener Philharmoniker hat er sich gemeinsam mit den Festspielen eine interessante Programmkombination ausgedacht. Verführerische Frauen und ehrenhafte Helden stehen sich in Camille Saint Saens Oper Samson und Dalila sowie Richard Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal gegenüber. Ein männlicher Drahtzieher beeinflusst jeweils das Spiel.

Die beiden Werke sind nahezu zeitgleich entstanden. 1877 vollendet der 37 jährige Franzose seine biblische Oper, die einzige, die sich in den Spielplänen der großen Opernhäuser gehalten hat. 1882 schuf Richard Wagner seine letzte Oper als Vermächtnis eines reifen Komponisten, der die musikalische Welt prägte. Jeweils werden die zweiten Akte der Opern konzertant aufgeführt, die von Obsessionen und Verführungen des Helden geprägt sind. Dalila will die geheimnisvolle Macht Samsons ergründen und diesen sowie das Volk der Israeliten zu Fall bringen. Dabei wird sie vom rachsüchtigen heidnischen Oberpriester angestachelt. Bei Wagner will Kundry den reinen Tor Parsifal verführen und dem Reich des gefallenen Gralsritter Klingsor zuführen. In beiden Werken gelingt die Verführung nur scheinbar, am Ende steht für beide Helden Erlösung.

Musikalisch repräsentiert Saint Saens die Hochromantik französischer Prägung der grande Opera. Richard Wagners Parsifal steht an der Wende zur Moderne, zu Expressivität und freier Tonalität. Eine erwartungsvolle und zugleich anspruchsvolle Gegenüberstellung, die vorweg gesprochen an dem Abend nicht vorwärts kommt und im gestenlosen gebremsten Dirigat keine Akzente erhält. Zudem wirkt das Orchester immer wieder lustlos und orientierungslos. Einsätze kommen geschliffen, der so geliebte Streicherklang bleibt stecken und die Bläser verpassen immer wieder ihre Einsätze. Besonders die schimmernde farbenreiche Partitur Saint Saens*s mit üppigen Stimmungsbildern kann das Dirigat von Daniel Barenboim nicht eröffnen, so sehr die Solisten allen voran Elina Garanca mit viel Gefühl und Einsatz überzeugen. Die Lettin hat die verführerischen Rollen von Kundry und Dalila bereits an vielen Opernhäusern erfolgreich gesungen. Ihre Routine und technisch perfekte Gesangskunst setzt sie gekonnt ein. In der berühmten Arie „mon coeur s’ouvre a ta voix“ lässt sie Romantik und Farbe sprühen, die aus dem Orchester wenig Widerhall finden. Ümso inniger gelingt die Offenbarung von Kundrys Lebensgeschichte in Parsifal. Hier erkennt der Zuhörer auch die Erfahrung Barenboims als Wagnerdirigent.

Brandon Jovanovich gastiert regelmäßig in Europa. Sein Tenor ist lyrisch mit viel Kraftreserven ohne zu Überdrehen. Dunkel ist das Timbre sowie die Aussprache der Vokale, die besonders im Französischen verschwimmen. Er sucht immer wieder den Kontakt zum Dirigent für Führung und Einsätze. Dieser breitet Wagners Klangatmosphäre in epische Länge und fordert so die Sänger. Auch Michael Volle ist ein gefragter Sänger auf allen Bühnen insbesondere im deutschen Fach. Seine Interpretation des Oberpriester und Klingsor sind nuanciert, ausdrucksstark und wunderbar ausgesungen.

Herrlich erfrischend junge Stimmen bilden die Blumenmädchen, die mit Teilnehmerinnen des diesjährigen Young Singers Project besetzt sind.

Viel Applaus mit selektiven Jubel am Ende

Dr. Helmut Pitsch

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