
Peter Eötvos Drei Schwestern Salzburger Festspiele 24.8.2025
Eötvos Drei Schwestern - Unverblümter Blick auf das Leben in Salzburg
Es war die Initiative des Sohnes des Komponisten das Drama von Antonin Tschechow Drei Schwestern zu vertonen. Peter Eötvös schrieb zuletzt das Libretto sebst, um seine Vorstellungen umzusetzen und gebar die Idee, die Oper in drei Sequenzen darzustellen, um die Ereignisse dreimal zu betrachten, dies mit unterschiedlichem Fokus. Dreiecksgeschichten prägen die drei Sequenzen des 1998 uraufgeführten Werkes.
In der ersten mit Titel Irina steht die Schwester Irina zwischen zwei Männern, die ihre Liebe erklären, in der zweiten, Andrej überschrieben, steht dieser zwischen seinen drei Schwestern und seiner Frau Natascha und in der letzten Masha steht diese Schwester ebenfalls zwischen zwei Männer, ihrem Ehemann und Oberst Wereschin. Die Musik Eötvös ist geprägt von Tristesse, Leid, aber vermittelt Wahrheit und Intimität. Sie verbleibt ruhig, wenig eruptiv und polyphon. Die Gesangslinien bleiben melodiös, in geringer Breite geführt. Für die Sänger so auch darstellerisch gut umsetzbar. Der Komponist sieht in der Originalbesetzung drei Countertenöre für die Rollen der drei Schwestern vor, welche auch in Salzburg übernommen wird.
Es ist absurdes Theater, kein Ausweg ist für die drei Schwestern zu erkennen, die Fahrt nach Moskau wird nicht stattfinden. Für den Regisseur Evgeny Titov ist die Handlung Sinnbild des Lebens. "Es geht um Leid, Abschied, Hoffnung und Verlust". Die drei Schwestern sind in ihrem Schicksal gefangen. Rufus Didwiszus schafft hierfür ein Setting der Zerstörung. Apokalyptisch mutet die Bühne der Felsenreitschule an. Sie gibt den Blick auf eine zerstörte Bahntrasse frei. Aus einem Tunnel führen Schienen, die wie nach einer Explosion zerborsten sind und in die Luft ragen. Am Ende der Trasse steht eine Wand, die Weiterfahrt ist unmöglich. Ein Krankenbett mit Monitor steht in der Mitte. Unheil und Tristesse dominiert. Die Kostüme von Emma Ryott sind schräg aber sehr passend im Stil modern. Nach dem Willen des Regisseurs entspricht dies der Realität, "die wir nicht sehen oder sehen wollen".
Maxime Pascal hat die musikalische Leitung am Pult des Klangforum Wien Orchestra übernommen. Die Symphonik der Partitur ist schmal, zumeist dominieren einzelne Instrumente oder Instrumentengruppen, Schlagzeug und Klavier prägen die Färbung. Exakte Takt- und Einsatzzeichen sind im Dirigat zu sehen. Die Abstimmung mit der Bühne behält er aufmerksam im Auge. Seine Interpretation drängt sich nicht auf, sie schleicht sich ins Innere des Hörers, wird packend und einnehmend. Dichte Intensität der Klangwelt vermitteln bedrückende Realität ohne Schnörksel.
Die drei Countertenöre Dennis Orellana als Irina, Cameron Shahbazi als Mascha und Aryeh Nussbaum Cohen als Olga verkörpern die drei Schwestern. Im gleichen Fach angesiedelt unterscheiden sich die Stimmen farblich gut, neben Kopfstimme ist auch immer wieder die tiefere Bruststimme bis zum Sprechgesang zu vernehmen. Die Gestaltung der Partitur lässt den Counter oft nicht von einem Sopran zu unterscheiden. Ebenso kommt geschmückte Weiblichkeit im Ambiente nicht zum Zug und Geschlechter zerfallen bewusst. Die drei Sänger passen auch besonders durch ihre Darstellung und äusserlichen Unterschiede gut zusammen und überzeugen. Mit Kangmin Justin Kim steht ein weiterer Countertenor als Natascha, der Schwägerin auf der Bühne. Mikolaj Trabka gestaltet mit seinem beweglichen, warmen Bariton einen jungen in Liebe entfachten Tuxenbach. Sein Liebesbekenntnis an Irina sendet positiv leuchtende Signale in die dunkle Umgebung. Ivan Ludlow ist ein strammer Wereschin in Uniform, der seine strenge Aussenhaut schmelzen lässt. Auch sein Bariton vermittelt Wärme und Ehrlichkeit. Jacques Imbrallo hat als Bruder Andrej eine große Szene die seine Wandlungsfähigkeit klar in Erscheinung treten lässt, nicht nur optisch wenn er seinen hässlichen Fatsuit bis zur vollkommenen Nacktheit ablegt. Der Bariton berührt in seinem Drang, dem Schicksal zu entfliehen und sich schamhaft für seine Offenheit zurückzieht.
Der erfolgreiche zeitgenössische Komponist Peter Eötvös verstarb 2024. Salzburg ehrt dessen Schaffen und Andenken. Das Publikum spendet begeisterten Zuspruch und belohnt die grossartige Sängerleistung mit Jubel.
Dr. Helmut Pitsch
25. August 2025 | Drucken
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