Entmystifizierter Parsifal in Wien

Xl_be37ab62-68bc-47c9-b5c2-0cbd7b809649 © Wiener Stastsoper Michael Pöhn

Richard Wagner Parsifal Wiener Staatsoper 17.4.2025

Entmystifizierter Parsifal in Wien

Die österlichen Feierlichkeiten stehen vor der Tür und die Spielpläne der führenden Opernhäuser feiern das Fest mit Aufführungen von Richard Wagners Parsifal, dem österlichen Klassiker. So auch die Wiener Staatsoper und ihr Publikum muss die Wiederaufnahme der in Corona Zeiten entstandenen eigenwilligen Inszenierung des russischen Regisseur Kirill Serebrennikov über sich ergehen lassen. Seine Deutung des Bühnweihfestspiels ist geprägt von dessen sexueller Neigung und persönlichen politischen Erfahrungen als verfolgter Künstler im heutigen Russland. Er vermittelt so nur Teile der philisophisch sinnlichen Handlung Wagners letzter Oper und erzählt die ersten beiden Akte als Rückblende des Helden, einmal als mordender Gefängnisinsasse und dann als Besucher einer modernen nüchternen Redaktion eines zweideutigen feministischen Frauenmagazins unter der Führung des zwielichtigen Herausgebers Klingsor und einer sexbesessenen Redakteurin Kundry. So doubelt er Parsifal neben dem Sänger - hier der wieder großartig performende Klaus Florian Vogt - mit einem jungen russischen Schauspieler. Die Gralsritter sind dunkle Häftlinge, Mont Salvat ist deren Gefängnisanstalt. Der Gral, ein wahrhaft klassischer schwerer Pokal, wird bei einer Kontrolle der Postsendungen von Wächtern gefunden, die Wandlungsszene findet nicht statt, das Abendmahl ist eine deftige Gefängnisspeisung.

Die Ästethik des Bühnenbildes, ebenso wie die Kostüme von Serebrennikov gestaltet, hält sich in Grenzen, dazu liefert er eine optische Reizüberflutung mit Videosequenzen von tätowierten Körperteilen, ständigen unnötigen Gewaltszenen und störenden Schlägereien. Schlüssig zu diesem realistischen Erzählstil ist die Tötung des Schwans, der sich als androgyner schwuler Häftling mit entsprechenden Tätowierungen von Vogelflügen entpuppt, dem von Parsifal mit einer Rasierklinge die Halsschlagader durchtrennt wird und dann zur finalen Erlösung sich wieder vom Boden erhebt und eine Blutlache zurück lässt. Klingsors Reich wird durch dessen Hinrichtung durch Kundry beendet und die Erlösung durch den Erlöser, die für den Regisseur die Freiheit symbolisiert, findet im trostlosen Speisesaal des Gefängnisses durch die Öffnung aller Zellen durch Parsifal statt. 

Axel Kober hat an diesem Abend alle Hände voll zu tun, um in diesem Ambiente die sinnliche Musik im Widerspruch zur rohen Gewalt der Gefängsnisathmosphäre zu vermitteln. Das in bester Form aufspielende Orchester der Wiener Staatsoper unterstützt ihn hierbei mit einem feinen weichen Klang der Streicher, der sich formvollendet bilden und verändern lässt, sowie sicheren präsenten Bläsern. Lediglich in der Führung des Chores ergeben sich, auch durch die holprige Personenregie, Einschnitte und nicht homogene Stimmführungen.

Sängerisch wird mit einem erstklassigen Ensemble, trotz einiger Umbesetzungen in der Vorbereitung, höchstes Niveau geboten. Klaus Florian Vogt glänzt mit seinem reinen lyrischen Tenor mit mittlerweile dunklerer Färbung als berührender durch Mitleid wissender Tor, der klanglich einen angenehmen Gegensatz zur optischen Brutalität setzt. Günther Groissböck ist ein derber Gurnemanz, der überzeugend als dunkle Gestalt hinter den Gittern alle Fäden zwischen Häftlingen und Wächtern zieht. Stimmlich verharrt er zuviel im Sprechgesang mit scharfer Diktion ohne Melodieführung. Anja Kampe ist eine sehr präsente Kundry die gekonnt die herbe frustierte Feministin im schwarzen Hosenanzug gibt, zu wenig gestaltet die Regie diese zentrale magische Person, die immer wieder mysteriös an allen Orten erscheint. Geschickt nutzt sie ihre Stimme, die sich nun zwischen hochdramatischen Sopran und dunklem Mezzo bewegt, wobei Ermüdungen in scharfen kraftvollen Spitzen durchklingen. Jordan Shanahan erfreut als Amfortas mit sehr guter Diktion der deutschen Sprache und erfasst zu seiner frischer Stimme gut dessen Leid und ersehnte Erlösung. Ivo Stanchev als Titurel erklingt aus dem Off und wird durch das wirre, die Szene verfälschende Bühnengeschehen kaum einordenbar. Mit Jochen Schmeckenbecher ist Klingsor gesanglich sicher besetzt. Dünn ist der Auftritt der vier Knappen, der der Blumenmädchen ist szenisch gross und harmonisch bunt mit Frauenchor besetzt.

Kurzer mitunter anschwellender Applaus im ausverkauften Haus.

Dr. Helmut Pitsch

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