© Audrey Taylor
Richard Strauss Elektra Wiener Staatsoper 23.12.25
Elektra elektrisiert in Wien
Übermächtig steht der ermordete Vater als zerstörtes Monument im Raum, genauso wie die Rache am Mord des Vaters. So monumental und innig ist die Regiearbeit von Harry Kupfer und das Bühnenbild von Hans Schavernoch aus 1989, daß sie bis heute nichts an Wirkung verloren haben. Zurecht hat die Gunst und Forderung des Publikums diese Inszenierung von Richard Strauss erfolgreichster Oper Elektra wieder auf die Bühne der Wiener Staatsoper gebracht.
Dieser Wiederaufnahmezyklus besticht aber auch mit erstklassiger Besetzung und dem phänomenalen Dirigat von Alexander Soddy. Der Brite eröffnet magische Momente mit dem Orchester der Wiener Staatsoper. Mit 111 Musikern verlangt Richard Strauss die wohl größte Besetzung, und die Wirkung lässt sich an diesem Abend wirklich fühlen. Wahrhaft elektrisierend wirkt diese expressive Komposition, die breitest mögliche Klanggebilde wachsen lässt genauso wie intime Gefühlsmomente und entspannende Tänzeleien.
Die Musik zu diesem altgriechischen Familiendrama entspricht dem Psychogram der handelnden Personen. Die Feinheiten dieser Musik voller Gegensätze, tonal atonal, harmonisch, Dissonanzen fächert der Dirigent mit dem hochkonzentrierten Musikern gefühlvoll auf, lässt Transparenz durchklingen und stimmt fein die Einsätze ab. Spannungsgeladen bauen sich Steigerungen auf, die im nichts entladen und unvermittelt kammermusikalisch beantwortet werden.
Da bleibt auch ausreichend Raum für die Sänger und besonders die Sängerinnen. Ausrine Stundyte in der Titelrolle gewann über die vorangehenden Vorstellungen an Sicherheit und Ausdruckskraft und wird nach anfänglichen Buh am letzten Abend der Aufführungsserie gefeiert. Sicherlich fehlt ihr es an Dramatik für diese fordernde Rolle. Aber sie besitzt die Höhen und das Stimmvermögen. Dazu ist ihre schauspielerische Leistung zu würdigen. Mystisch kriecht sie unter den drohenden Füssen der Statue ihres Vaters hervor und sehnt manisch ihren Bruder für die Rache am Mord des Vaters durch ihre Mutter und Stiefvater herbei. Die erlösende Freude in der Begegnung mit dem Bruder und die langersehnte Rache durch den Mord an Mutter und Stiefvater explodiert in einem Wahnsinnstaumel, der mit ihren Tod in den Seilen der väterlichen Statue sinnbildhaft und überzeugend endet.
Nina Stemme ist noch bestens selbst in der Titelrolle im Gedächtnis und liefert nun als Klytämnestra großes Theater. Ihr Auftritt begleitet von stampfenden Akkorden wird zur hochexplosiven Mutter Tochter Beziehung. Ihre "dunklen Nächte" bekommen durch ihren klaren dunklen Mezzo Farbe, ihre Stimmkraft gibt ihr Autorität, hinter der sich ihre Angst verstärkt. Wortdeutlich führt sie ihren Monolog und bleibt klar im zynischen Dialog mit Elektra.
Wahrhaftig verinnerlicht Camilla Nylund als Chrysothemis die Naivität der Schwester, die Probleme schönt und Konflikt vermeidet und Normalität in dem aufgeladenen Palast sucht. Rein und mädchenhaft bleibt ihr heller höhensicherer Sopran, weich in der Stimmführung und zeigt kraftvolle Kanten. Jörg Schneider ist ein solider Aegisth, der in seinem kurzen Auftritt Akzente setzt. Derek Welton ist der ersehnte Bruder Orest, der als fremder Bote im Palast eindringt und sich nur langsam zu erkennen gibt. Das Geheimnisvolle spiegelt seine stimmliche Interpretation wieder, die Zwanghaftigkeit ihrer Existenz vereint Bruder und Schwester in der innigen Erkennungsszene.
Auch die Nebenrollen, insbesondere die umtriebigen Mägde, gefallen mit gut abgestimmten sicheren Einsätzen und Darstellungen.
Ein herausragender Abend wird vom Publikum im ausverkauften Haus bejubelt.
Dr. Helmut Pitsch
24. Dezember 2025 | Drucken
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