Eine packende „Elektra“ in Innsbruck!

Xl_a670cdf0-5010-4207-aefa-bbe4deab691b © Birgit Gufler

INNSBRUCK/Landestheater:

Kurzkritik ELEKTRA-Premiere am 11. Juni 2023

Eine packende „Elektra“ in Innsbruck!

Mit einer packenden und in allen Punkten stimmigen „Elektra“ verabschiedete sich Johannes Reitmeier nach seiner 11 Jahre währenden überaus erfolgreichen Intendanz vom Publikum des Tiroler Landestheaters. Was habe ich hier nicht alles von ihm gesehen: „Tannhäuser“, „Rienzi“, „Liliom“, „Genoveva“, „Die Passagierin“, und nun auch noch „Elektra“ von Richard Strauss. Und er hat sie genauso inszeniert wir alle seine anderen Opern am Innsbrucker LT – mit einer intensiven Konzentration auf die vom Komponisten intendierte Werkaussage und ihre Realisierung durch eine bis ins letzte Detail ausgearbeitete kenntnisreiche Personenregie direkt aus den Charakteren heraus und ihrer Konnotation in den Stücken.

Das war neben dem prachtvollen Bühnenbild von Thomas Dörfler, den bestens abgestimmten Kostümen von Michael D. Zimmermann und der exzellenten und stets stimmungsbetonten Lichtregie von Ralph Kopp auch wieder Reitmeiers Erfolgskonzept für seine „Elektra“ an diesem Abend, die das Parkett-Publikum, als er zum Schlussapplaus auf die Bühne kam, sich spontan von den Sitzen erheben ließ. Das war wahre und echte Begeisterung! Endlich einmal kein so langweiliges und pseudo-spektakuläres Buh-Geschrei, wie es manche der sogenannten arrivierten Regisseure schätzen. Hier galt‘s der Kunst, der Realisierung einer „Elektra“, die dem Publikum mit einer hervorragenden Sängerschar die unglaublichen Untiefen und Katastrophen dieses Stücks und seiner verfluchten Vorzeit nahebringen wollte und dies auch vermochte.

GMD Lukas Beikircher war Reitmeier wie immer ein kongenialer Partner am Pult des ebenfalls voll motiviert und glanzvoll aufspielenden Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck. Es brachte eine vom Komponisten Richard Dünser von der Universal Edition in Auftrag gegebene strukturiert reduzierte Orchsterfassung von etwa 65 Solisten im Gaben zur Uraufführung. Das allein ist schon eine kleine Sensation für viele kleinere Häuser, die die „Elektra“ spielen wollen, wegen des begrenzten Platzes im Orchestergraben aber nicht können. Denn die Originalbesetzung sind 111 Musiker. In der Dünser-Version entsteht keineswegs der Eindruck klanglicher Mängel. Die Musik klingt wie gewohnt, vor allem in den weiterhin stark besetzten Streichern. Man kann allerdings auch auf die im Orchester vorhandenen Wagner-Tuben zurückgreifen.

Aile Asszonyi überwältigte nach ihrem Frankfurter Erfolg als Elektra mit einem hochdramatischen Sopran und großer Ausruckspalette, bei leuchtenden und lang gehaltenen Höhen sowie guter Tiefe. Hinzu kam ein überaus intensives Spiel der Atridentochter und ihrer nicht mehr nachvollziehbaren Obsession zur Rache an der Ermordung ihres Vaters. KS Angela Denoke, die in Innsbruck die „Salome“ sehr gut inszenierte, war eine beeindruckende Klytämnestra mit starkem Auftritt, eine elegante Frau, die durchaus noch etwas im Leben erwartet, aber in dem Moment, als ihr die Tochter ihr Schicksal offenbart, wie ein flehendes Häufchen Elend wirkt. Stimmlich vermag sie der Rolle großen Farbenreichtum zu verleihen, mit einem dunkel schattierten Sopran in der Mittellage und stets hervorragenden Höhen. Magdalena Hinterdobler debutierte als Chrysothemis glanzvoll, mit einem leuchtenden Sopran, gutem stimmlichem Ausdruck und ebenfalls einer facettenreichen und emotional engagierten Darstellung. Das wird eine große Rolle für sie werden! Florian Stern war ein beeindruckend linkisch agierender Aegisth mit einem kraftvollen Tenor. Und Andreas Mattersberger verkörperte den Orest auf eine wohl ziemlich unbekannte, aber nachvollziehbare Art and Weise äußerst emotional mit einem prägnanten Bass, der auch Richtung Bassbariton einsetzbar wäre. Ein Mann für größere Aufgaben, auch darstellerisch perfekt.

Ein großer Abend am Tiroler Landestheater! Auf die neue Direktion darf der Zuschauer nach Vorstellung des Saisonprogramms 23/24 gespannt sein. Dieses umfaßt lediglich nur mehr fünf Opern. Mit „Die Liebe zu den drei Orangen“, „La Bohème“, „Le nozze di Figaro“, „Des Simplicissimus Simplicissimus Jugend“ und „Peter Pan – The dark Side“ auch nicht gerade alles Opern des Mainstreams aber allerhand weithin Unbekanntes in Tanz und Schauspiel, u.a. „Gi3F“ („Gott ist drei Frauen“). In der Saison 22/23 unter Reitmeier gab es noch neun Opern. Ob das neue Programm in Innsbruck Sparzwängen oder anderen Gesichtspunkten unterliegt, wäre interessant zu erfahren. Vielleicht stellt es sich ja im Laufe der Saison heraus. Wir wünschen gleichwohl viel Erfolg.

Klaus Billand

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