Die Frau wirft keinen Schatten und glänzt in Wien

Xl_508e4690-b167-49e0-9cc5-56a479c11b24 © Michael Pöhn

Richard Strauss
Die Frau ohne Schatten
Premiere am 25.5.2019

Besuch am 10 Würdige 150 Jahre feiert die Wiener Staatsoper dieses Jahr ihr Bestehen. Das Haus am Ring zählt seit Beginn zu den führenden Opernhäusern der Welt und viele grosse Sänger und Dirigenten haben den Ruf des Hauses untermauert. Nur wenige Opern erlebten aber hier ihre Welturaufführung. Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss ist das bedeutendste Werk, das hier zum ersten Mal 1919 aufgeführt wurde. Zum Gedenken der Welturaufführung vor 100 Jahren zelebriert die Wiener Staatsoper diesen doppelten Geburtstag mit einer Neuinszenierung des Werkes mit erlesenster Besetzung und unter dem Dirigat des gefeierten Strauss Kenners Christian Thielemann. Grund genug für alle Verehrer des bayerischen Komponisten nach Wien zu pilgern.

In einer Zeit der grossen Unsicherheiten und politischen Umwälzungen während und nach dem ersten Weltkrieg schufen Richard Strauss und Hugo von Hoffmansthal dieses feinsinnige märchenhafte Werk über die Menschlichkeit und Menschlichwerdung, über Mitleid und Grossmut. Die zentralen Paare der Geschichte, Kaiser und Kaiserin sowie Barak und Färberin müssen sich charakterlichen Prüfungen stellen, und erinnern so thematisch an die Zauberflöte. Am Ende steht die Erlösung und der Sieg des Guten.

Realistisch stellt sich der Regisseur Vincent Huguet dem Märchen und erzählt es nahezu wortgetreu leicht verständlich in einfachen Bildern - Bühne von Aurélie Maestre. Auf Pfählen im See steht der kleine Pavillion im Pagodenstil, in dem sich der Kaiser mit seiner Angebeteten trifft. Eine Gazelle, die er auf einer Jagd erlegte, verwandelte sich in die schöne Geliebte, die jedoch keinen Schatten wirft, ein Symbol der Menschlichkeit und Fruchtbarkeit. Ihre Amme, die die Menschen und das Menschliche verachtet, heckt mit der Verzweifelten einen Plan aus, um den drohenden Untergang von Kaiser und Kaiserin zu vermeiden. Ein Schatten muss von einem menschlichen Wesen erkauft werden. Dunkle Felswände umgeben das Heim der Färber, Stoffballen fungieren als Schlafstätten. Mit Videoinstallationen von Bertrand Coudere werden immer wieder Stimmungsbilder hinzugespielt. Grosse Becken zum Färben sowie lange zum Trocknen aufgehängte Stoffbahnen unterstreichen das Ambiente. Im Holzboot erreichen Amme und Kaiserin im mystischen Nebel den Kaiserpalast und legen an diesen dunklen Felswänden an. Farblich wird die Düsternis durch die Köstume von Clémence Pernoud aufgefrischt. Die Kaiserin im kräftigen Rot, der Kaiser im grünen langen Mantel mit Federkragen, die Färberin in Blau, die Amme in schwarz.

Überragend ist die musikalische Umsetzung dieser Neuinszenierung für die Christian Thielemann als der Strauss Dirigent gewonnen werden konnte. Mit Hingebung widmet er sich der Ausgestaltung, achtet auf jedes Detail arbeitet intensiv an feinsten Nuancierungen. Ständig ist er im Blickkontakt mit dem Orchester, dämmt immer wieder die Lautstärke, achtet diszipliniert auf Tempi und am Ende steht eine musikalische Umsetzung die Maßstäbe setzt. Das Werk steht für Umbruch. Richard Strauss war Zeitgenosse von Arnold Schönberg und dessen Zwölftonmusik, welche die Moderne einleitet. Zugleich war er ein Freund Mahlers, der die Spätromantik in Melodie und Harmonik zur Spitze treibt. Strauss schafft den Abschied in höchster Romantik, und betritt seinen eigenen Weg in seiner musikalischen Weiterentwicklung. Er verwendet immer wiederkehrende Leitmotive, die er expressiv moduliert und wieder zusammensetzt. Er sucht Spannungsbögen und symphonische Entladungen und schöpft aus der Reduktion intimste Klangwelten. Gerade den zahlreichen Instrumentensoli widmet Thielemann viel Aufmerksamkeit und fordert die Musiker zu achtsamen ausdrucksstarken Spiel und Zusammenspiel mit den Sängern auf. Höhepunkte, die die Zuhörer verzaubern.

Die Frau ohne Schatten führte lange ein Schattendasein neben den anderen grossen Opern Richard Strauss. Die ist auch an dem hohen Anspruch an die Sänger gelegen und somit eine heikle Aufgabe an die Besetzungsverantwortlichen der Opernhäuser. Stimmlich erlebt das Publikum in Wien nun eine glückliche ausgezeichnete Auswahl. Camilla Nylund ist eine höhensichere Kaiserin, die mühelos die Spitzentöne ohne jegliche Schrille erreicht. Lyrisch weich und leicht verfällt sie in Liebe und Mitleid. Evelyn Herlitzius hat die nötige Schärfe und Tiefe in ihrer Stimme für die Amme ohne bleierne Härte. Wortverständlich schafft sie die herausfordernden bizarren Sprünge und reduzierten Piani. Nina Stemme rundet das Damentrio als Färberin ab. Geradezu unerschöpflich wirkt ihr Stimmumfang und Volumen. Setzt sie zum Forte an, schaudert es im Haus, im Piano wirkt sich menschlich versöhnlich und verletzlich. Wolfgang Koch gestaltet seinen Barak sicher und formschön, wirkt aber gegenüber der Stimmgewalt seiner Frau klein und einfach gestaltet. Stephen Gould bestätigt die Kraft und Flexibilität seines Tenors und stellt sich bestens gewappnet den Herausforderungen der Partie des Kaisers. Christian Thielemann achtet auf die Sänger, zügelt das Orchester und liefert die fein bearbeitete und klar geführte Begleitung des Orchesters. Die Konzentration, Spannung und Anspannung im Publikum ist spürbar. Es herrscht Ruhe, kein Husten stört, ein klares Zeichen dafür. Der Jubel am Ende feiert die Sänger und besonders Orchester und Dirigenten. 

Dr. Helmut Pitsch

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