Die Bayerische Staatsoper lotet mit Exotik neue Wege der Opernpraxis aus.

Xl_68c0fa84-5a4c-4266-bffd-dc9448fdd0f4 © Geoffrey Schied

Toshio Hosokawa Matsukaze Bayerische Staatsoper 3.5.2025 

Die Bayerische Staatsoper lotet mit Exotik neue Wege der Opernpraxis aus.

Das traditionelle Noh Theater gehört zu den bedeutendsten Kulturgütern Japans. Hauptfiguren sind Geister, deren Seelen das Diesseits in Trauer verlassen haben und noch nicht geheilt im Jenseits angekommen sind. Diese Heilung wird zur Handlung und das Noh Theater so auch als Drama der „Seelenheilung“ tituliert. Im Mittelalter entstanden, ist das gleichzeitige Spiel im Ist und Jenseits bis heute populär. In den Aufführungen bilden Poesie, Musik und Körperausdruck der Darsteller eine Einheit.

Die Vorlage zum Libretto der Oper Matsukaze (übersetzt „Kiefernwind“) stammt von dem gleichnamigen beliebten Noh Spiel aus dem 14. Jh, das bis heute auf den Spielplänen steht. Das Noh Spiel selbst basiert auf einer literarischen Vorlage aus dem 10.Jh sowie dem literaturgeschichtlich bedeutenden Gedichten des Politikers und Dichters Yukihira aus dem 9. Jh.. Das Traumstück erzählt von der Pilgerfahrt eines buddhistischen Mönchs, der Obdach bei einem einfachen Fischer in dessen Haus am Rande eines Kiefernhains findet. Dort trifft er auf zwei Schwestern die Salz schöpfen. Diese sind in Wahrheit Totengeister und erzählen die traurige Geschichte ihrer Liebe zu dem Adeligen Yukihira während dessen Verbannung in ihrem einsamen Dorf. Dieser löst durch seinen raschen Tod sein Versprechen nicht ein, nach dem Ende seiner Verbannung zurück zu kehren. Alle drei sterben aus Kummer.

Der vielfach ausgezeichnete 1955 in Hiroshima geborene Toshio Hosokawa greift dieses Traumstück für seine dritte Oper auf mit dem Ziel, die Handlung und die Grundzüge des traditionellen Noh Theaters in die Gegenwart zu überführen und somit auch neue Inszenierungswege zu eröffnen. Musikalisch vereinigt er japanische Klangwelt und Züge der europäische Klassik. Naturstimmungen dominieren in der monoton irisierenden Musik, aus einer Vielfalt von Instrumenten geschaffen. So steht beispielsweise stetes Rauschen als Wind im Raum, silbrige Klänge muten wie buddhistische Windspiele an. Es ist die Kraft der Statik durch kurze Ergüsse durchbrochen, die eine Spannkraft erzeugen lässt aber auch in der Monotie und Wiederholung Längen erzeugt.

Lotte van der Berg und Tobias Staab versuchen in ihrer Regiearbeit neue Darstellungswege in der Reithalle, einem ehemaligen länglichen Industriebau in München und jetzt eine Eventfläche, zu beschreiten. Die Musiker sind in der Mitte plaziert, zu beiden Seiten sind identisch teilweise verspiegelte teilweise transparente Glaskörper als Raumunterbrecher aufgestellt, sowie jeweils ein mit Salz gefülltes rechteckiges Element am Boden. In zwei Einlässen wird das Publikum in die Halle eingelassen und ist aufgefordert, zu sphärischer Loungemusik nahezu eine gute Stunde im Raum zu wandeln und sich auf die Athmosphäre einzulassen und zu gewöhnen. Chor Sänger und Darsteller mischen sich ins Publikum. Aus diesem Fluss heraus füllt sich das Orchester, der Chor stellt sich hinter dem Dirigenten Alexandre Bloch auf, die vier Solisten folgen den Darstellern, denen sie ihre Stimme geben. Dazu ein fünfter Performer als im Wind sich krümmender Baum und stummer Adeliger Yukihira. Es herrscht dauernde ruhige nahezu schleichende Bewegung im Raum, die Performer wandeln von einer Seite zur anderen. Stilisierte Bewegungsabläufe mit klarer Symbolik helfen die Handlung zu bebildern. Mitunter wird ein Parabolspiegel als strahlende Sonne durch den Raum geschoben.

Der Chor beschreibt Unisono im Sprechgesang die Handlung, das Noh Theater kennt keine Stimmlagen. Das Publikum hat keine festen Plätze, sitzt zum Teil an den Wänden aufgereiht, nutzt faltbare Hocker oder Kissen. Von fester Sitzordnung losgelöst, ergibt sich die Möglichkeit tiefer in die Handlung einzutauchen, ja vielleicht auch Teil der Handlung, Teil der Bühne zu werden.

So mutet das Schlusswort der Regisseurin an, die sich nach verhaltenem Beifall bei allen herzlichst und sichtlich gerührt bedankt und zu einer einminütigen Medidation bei geschlossenen Augen aufruft, um das Gemeinschaftserlebnis zu verinnerlichen. Ein neuer und ein lobenswerter Ansatz, aber dafür fehlt im vorhergehenden Verlauf aber die Bindungskraft. So bleibt ein flacher esoterischer Beigeschmack, der der Anziehungskraft der Oper nachhaltig keinen Mehrwert liefert. Es bleibt auch zu diskutieren, ob dies ein gängiger Weg der allgemeinen Inszenierungspraxis, auch aus räumlichen Gründen, werden kann.

Dr. Helmut Pitsch

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