
Richard Wagner Tannhäuser Wiener Staatsoper 29.5.2025
Der neue Tannhäuser als Komödie - Mühsamer Operngenuss in Wien
Dünn sind die Einfälle von Lydia Steier zur Neuinszenierung von Richard Wagners Oper Tannhäuser. Vieles ist schon dagewesen, das Meiste übertrieben, sodass der Abrnd immer wieder am Klamauk schrammt. Es ist ein holpriger überladener Versuch, das romantische Drama um Liebe und Erotik als Komödie oder gut gemeint als Satire zu inszenieren. Die imposanten Bühnenbilder von Momme Hinrichs sind hierbei eindrucksvoll und ästhetisch, trotz der Vielzahl von Stiegen. Der Venusberg ist ein Revuetheater im Art Deco Stil, die Wartburg ein elegantes Abendetablissement mit mehreren Etagen und kleiner Bühne. Der dritte Akt wirkt wie eine leere dunkle Theaterbühne mit ein paar alten Fernsehapparaten und schlafenden Statisten.
In diese Rahmen lässt Lydia Steier es zünftig treiben. Dummes, verfehltes LBGTQ Rumgehoppse, Artistinnen mit Dolli Buster Brüsten auf Trapezschaukeln, viel nackte Haut, Küsse und das unsägliche ständige Rauchen. Venus kommt in der glitzernden Mondsichel heruntergelassen im knappen Paillettenbadeanzug mit rosa Federkopfschmuck auf die Bühne. Alles schon gesehen. Fast erscheint es, Steier hätte das Sujet mit Orpheus in der Unterwelt vom Zeitgenossen als auch Konkurrenten Wagners Jacques Offenbach verwechselt.
Einem traurigen Höhepunkt steuert der Abend in der anschließenden Waldszene zu. Vor einer blau ausgeleuchteten Wand trifft Tannhäuser den Oboisten, der den Hirten über allem in dem Baumwipfeln hängend begleitet ("Astrein" von Daliborks Lühn-Skibinski gesungen und musiziert). Der Musiker kommt mit roter Perücke und Clownkostüm verkleidet auf einem alten Citroen Lieferwagen als Playmobil sitzend herein, Tobias Kratzers deutlich gelungener Bayreuther Tannhäuser lässt grüßen. Forsch tritt Landgraf Hermann mit den Minnesängern als Jagdgesellschaft durch eine Tür - man ist ja im Wald - auf die Bühnenrampe. Wieso dann noch uriniert, geraucht und geschunkelt werden muss, trifft hier auf Unverständnis.
Elisabeth wirkt wie eine Edel- Nachtclubbetreiberin in langem enganliegenden lila Kleid mit blonder lockiger Kurzhaarfrisur. Der Klamauk setzt sich auch auf der Wartburg fort, wenn auch reduzierter. Viel wird beim Eintreffen der edlen Gäste auf der überstrapazierten Treppe die Hand geküsst oder umarmt, gewunken und freundschaftlich geschäkert. Ein frecher Klaps auf Elisabeths Hinterteil wird mit bösem Blick geahndet. Nobel und sehr adrett sind die Kostüme der feinen Gastgesellschaft von Alfred Mayerhofer im Stil der Sechzigerjahre entworfen und ausgeführt. Die Gäste nehmen an den zahlreichen weiss gedeckten Vierertischen Platz. Die Minnesänger treten zum Wettkampf in mittelalterlichen Gewändern mit blonden Perücken auf, schäkern amüsiert und halten sich gestenreich die Ohren zu den sicher geblasenen Fanfaren zu. Ein Kniff der Regie, singen der Minnesänger von der mittelalterlich vergeistigten Liebe, bleibt die Perücke oben, werden die Ansichten modern wird die Perücke heruntergerissen. Ebenso gut integriert sie die Erinnerungen Tannhäusers an den Venusberg, indem einzelne Darsteller davon sowie Venus selbst im Publikum auftauchen. Mit Schwert und Pistole wird der Abtrünnige schwer gerügt und gleich wird wie im Lieferservice von Amazon die Pilgerkluft im Paket geliefert.
Dunkel und mystisch das Bild im dritten Akt. Elisabeth entledigt sich ihres Abendkleides symbolisch für die sinnliche Reinigung und Erlösung, küsst impulsiv Wolfram und entschwindet über die unentbehrliche Treppe im gleisenden Licht. Zum von Martin Gantner als Wolfram sehr innig vorgetragenem Lied an den Abendstern wird dieser unnötig von Tannhäuser geküsst und ein schwules Paar tanzt im Frack auf der Treppe. Die Pilger ziehen durch den Raum, betörend und kraftvoll vom bestens harmonisch im Einklang singenden Chor, Extrachor und Chorakademie der Wiener Staatsoper dargestellt. Die Leiche Elisabeths wird über die Treppe heruntergetragen und gleich danach erscheint die Geläuterte entgeistert im weißen Kleid, um auch ihren Geliebten Tannhäuser zu erlösen. Im Schlussbild sehen wir beide im Blätterwald vereint.
Umfangreich und bildreich ist das Geschehen, nicht immer schlüssig aber zumeist dem Libretto folgend ist diese gewagt komödiantische Umsetzung. Die großartige Musik gibt dem Werk die Würde und nötige Ernsthaftigkeit zurück. Dies erreicht das wunderbar musizierende Orchester der Wiener Staatsoper unter der umsichtigen aber auch mit strengen Gesten fordernden Führung des scheidenden GMD Philippe Jordan. Zum Glück erklingt die Ouvertüre vor geschlossenem Vorhang und so kommen alle Feinheiten und stimmungsvollen Themen klar herausgearbeitet zum Erklingen. Vollmundig wird der Orchesterklang immer wieder aufgebaut, dabei die Instrumentengruppen gut und transparent hörbar gemacht. Die Sänger werden mit Bedacht begleitet aber auch mit kraftvollen Attacken aus dem Orchester gefordert. Die Tempi sind gut gewählt und passen so zum handlungsreichen und immer wieder tänzerischen Geschehen auf der Bühne.
Im Sängerensemble gibt Clay Hilley sein Hausdebüt in der Titelrolle. Seine Tenorstimme verfügt über wenig Schmelz. In der Höhe wechselt die Klangfarbe in eine spitze Helligkeit, dies verstärkt durch dramatischen Druck für die Spitzentöne. Nur in der Mittellage lässt sich die Stimme auch in den Piani melodiös führen. Mit seiner kräftigen Statur fügt er sich nur hölzern zum Teil wie eine Karikatur in die Regie ein. Hier hätte mehr Rücksicht gut getan. Malin Byström ist eine selbstbewusste moderne Elisabeth ohne Jungfräulichkeit und Verklärung. Ausdrucksstark ist Spiel und Gesang ohne strahlende Höhe. Auch Ekaterina Gubanova als Venus klingt überdramatisch mit Vibrato in der Höhe.
Umso stärker die Herren, allen voran Günther Groissböck als ein sonorer kerniger Landgraf Hermann, der sich auch spielerisch geschmeidig einfügt. Martin Gantner ist als Wolfram kurzfristig eingesprungen und erfreut mit einer sicheren gefühlvollen Interpretation. Daniel Jenz als Walther von der Vogelweide führt mit Engagement und kräftiger Stimme die Rolle aus.
Dem Publikum gefällt das bebilderte aktive Treiben und die vielen Einfälle in dieser Folgevorstellung nach einem Buhreigen in der Premiere für die Regie.
Viel Beifall mit wenig Jubel im ausverkauften Haus.
Dr. Helmut Pitsch
30. Mai 2025 | Drucken
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