Das Schicksal als surreale Zeitreise in Florenz

Xl_firezeforza_2500x1000_3 © Teatro Maggio Musicale

Giuseppe Verdi - Die Macht des Schicksals

Florenz Teatro Maggio Musicale 10.6.2021

Das Schicksal als surreale Zeitreise in Florenz

Carlus Padrissa ist der Regisseur der Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Macht des Schicksal für das Teatro Maggio Musicale in Florenz. Er ist einer der Gründer und langjähriger Kopf der katalanischen Regiegruppe Fura dels Baus. Ihre Arbeiten sind mannigfaltig und zum Teil legendär wie ihre Inszenierung des Ring der Nibelungen, welche auch in Florenz gezeigt wurde. Die Stilmittel sind mittlerweile bekannt. Große dominante Licht und Videoinstallationen, aufwendige Massenszenen in farbenprächtigen üppigen Kostümen, Akrobatik durch echte Artisten und futuristische Bühnenbilder.

So taucht der Zuschauer auch hier wieder in ein Feuerwerk von Farben und Projektionen, begleitet von dynamischen Umbauten und zahlreichen außergewöhnlichen Einfällen wie vertikal aufsteigende Statisten, Patienten werden zur Heilung in Wasserröhren getaucht oder aus vermeintlichem Gestrüpp entfalten sich Tänzer mit emporragenden Stöcken.

Carlus Padrissa löst den zeitlichen Zusammenhang der allseits als wirr und umständlich eingestuften Handlung um ein tragisch vom Pech verfolgtes Liebespaar. Geradezu parodistisch ist die Zeitreise von 1759 im ersten Bild über eine Raumschiffwelt in den Jahren 2030 und 2222 bis 3333 im Finale (Bühne Roland Olbeter) als Rückkehr in die Steinzeit mit Fellkostüm und überdimensionierten Knochen als Waffen im Duell zwischen dem verfolgten Liebhaber und Vatermörder und des blind rachsüchtigen Bruders der Geliebten.

Krieg, leidenschaftliche Rache, Tod stehen ehrenhafter Treue und unendlicher Liebe gegenüber. Die Umsetzung wirkt auch als subtile Abrechnung des Regisseurs mit der pathetischen herzlosen strengen kirchlichen Lehre. Raumanzüge oder Mönchskutten mit LED Leuchten, Videogame - artige Kämpfe im All, Großaufnahmen von um ein schwarzes Loch rotierenden Galaxien bis zum Urknall finden Platz neben mit Abstand aufgereihten Massenaufmärschen, die an die Münchner Turandot Inszenierung desselben Urhebers erinnern. Es laufe viele Bilder ab, aber klug aneinander gereiht ohne in Geschmacklosigkeit abzudriften. Die Ewigkeit der Omnipräsenz des Schicksals, das den Menschen in einen Strudel reißt, wird erkennbar.

Musikalisch wird der Abend von Zubin Mehta geprägt. Er ist dem Orchester des Maggio Musicale seit vielen Jahren eng verbunden und unterstützt tatkräftig immer wieder die Aktivitäten des Theaters. Langsam und bedächtig begleitet von ehrfurchtsvollem Applaus nähert er sich dem Pult und eröffnet mit einer gefühlvollen wohl im Tempi geführten Ouvertüre, die wohl zu den größten symphonischen Werken Verdis gehört. Er lässt die verschiedenen bunten Themen blühen, so dass sie sich dem Hörer schnell einprägen. Das Orchester bleibt sehr präsent auch wenn er große Forti vermeidet. Transparent vibrierend bildet sich ein voller Klang, ein wahrer Teppich der sich unter und für die Sänger ausbreitet. So steht die musikalische Interpretation im wohlbalancierten Gegensatz zu der überladenen aber immer ästhetisch bleibenden Inszenierung auf der Bühne. Die Sänger und Sängerinnen verweben sich leicht mit dem Orchesterklang, werden kaum zugedeckt und müssen nicht mit Kraft bestehen. Das ermöglicht vielen eine gelungene und berührende Leistung zu liefern.

Saioa Hernandez steigert sich als Leonore von Bild zu Bild und überzeugt in der anspruchsvollen Schlussarie mit sicherer Intonation, klarer Höhe und gezähmter Dramatik ihres dunklen aber vollen Sopran. Roberto Aronica ist ein verlässlicher Tenor, der lyrisch und ausdrucksvoll sehr cantabel singen kann, wobei ihm Fülle und sattes Timbre fehlen. Höhepunkte des Abends sind die Auftritte von Ferruccio Furlanetto als Padre Guardiano, der noch immer mit einer beeindruckenden Leichtigkeit senes Basses berührend schön und weich bis in den tiefsten Lagen die Melodien führen kann. Eine außerordentliche Begegnung ist der Bariton Amartuvshin Enkhbat. Der junge Mongole hat in einigen Wettbewerben aufhorchen lassen. Seine Klangfärbung ist von einer gewissen Exotik geprägt. Süsslich und hell aber voller Fülle schmiegt sich seine Stimme sehr fein an die Musik Verdis. Es fehlt ihm aber die Dramatik der rasenden, blinden Rachsucht. Nicola Alaimo gestaltet seinen Fra Melitone charmant ohne übertriebene Komik. Dafür vermag Annalisa Stroppa in sehr schrägen Kostümen von Chu Uroz als zündende Zigeunerin Prezosilla optisch und gesanglich eine markante Rolleninterpretation liefern.

Viel Applaus und Begeisterung im Publikum, vor leider nicht ausverkaufen Haus. Pandemie Bestimmungen erlauben eine 50% Auslastung.

Dr. Helmut Pitsch

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