Das Märchen vom Aschenputtel märchenhaft in Paris erzählt

Xl_e0648aaa-5f42-4c56-a945-765dad387200 © Alice Haberer

Jules Massenet Cendrillon Opera Bastille 16.11.2023

Das Märchen vom Aschenputtel märchenhaft in Paris erzählt

Das beliebte Märchen vom Aschenputtel entstand im 17. Jahrhundert in Italien. Es ist ein Teil des Bandes Il Pentamerone von Giambattista Basile und diente dem Franzosen Charles Perrrault 1697, als auch den Gebrüder Grimm 1812 als Vorlage für ihre Version des Märchens vom armen Mädchen, das, durch die böse Stiefmutter geschunden, mit Hilfe der guten Fee die Liebe des Prinzen gewinnt.

Mehrfach wurde der Stoff als Oper vertont. Neben Cenerentola von Giacchino Rossini zählt die 1897 uraufgeführte Oper Cendrillon von Jules Massenet besonders in Frankreich zu den häufiger aufgeführten Vertonungen. Die Französin Mariame Clément arbeitet seit 2004 vornehmlich als Opernregisseurin an zahlreichen europäischen Opernhäusern. 2022 schuf sie eine vielbeachtete Neuinszenierung von Jules Massenets Cendrillon an der Opera Bastille in Paris. Versetzt in die Zeit der Entstehung des Werkes, der Belle Epoque des ausgehenden 19. Jahrhunderts, findet die Handlung in einer Fabrik mit einer großen Dampfmaschine auf der Bühne, das Zeitalter der Industrialisierung, sowie in einem Glaspalast, den Hof des Prinzen als auch die neuen Ausstellungshallen der Weltausstellung symbolisierend, statt. (Bühnenbild und Kostüme Julia Hansen). Die Fee entsteigt im angestrahlten Glitzerkleid märchenhaft aus dem Inneren der Maschine, wie auch die helfenden Elfen als grüne Schmetterlinge. Als Fuhrwerk für das verwandelte Aschenputtel dient ein Heißluftballon, der Belle Epoque entsprechend. Der Zauberwald, indem sich Aschenputtel/Cendrillon und der Prinz wieder treffen befindet sich, wenig romantisch, unter der Fabriksanlage und ähnelt mehr grossen Gasflaschen als einer romantischen Märchenwelt. Dafür pumpt im Inneren der Zaudereiche ein großes rotes Herz.

Romantische Verzauberung versucht Keri-Lynn Wilson über weite Stellen am Pult des Orchesters der Opera Natuonal de Paris zu erreichen. Immer wieder versetzt sie das Orchester in feine Schwingungen, betont Melodien in dieser nahezu ohne Arien durchkomponierten Oper und empfiehlt Gefühle und Charakterzeichnungen. Ihr Dirigat ist geprägt von einer schwungvollen, sehr auf die Sänger ausgerichteten Interpretation mit durchaus kräftigen Zügen.

Der Spätromantiker Massenet, der als Professor für Komposition das französische Musikleben seiner Zeit prägte, wird hoheitsvoll gewürdigt. Jeanine De Bique ist eine sehr gelungene Titelheldin. Sie versteht es die Fassetten ihrer Rolle sehr persönlich zu gestalten. Sie behält in der Demut gegenüber der Stiefmutter ihre Würde, wirkt nahezu kindlich in der ersten Begegnung mit ihrem Prinzen und wächst zu einer würdevollen Einsicht nach ihrer mitternächtlichen Flucht. Ihr Charme wirkt auf das Publikum wie ihre ausladend volle und klare Sopranstimme. Ihr dunkles Timbre sowie die Leichtigkeit in den Höhen sind schmeichelhaft. Dazu passt bestens die Lockerheit von Paula Murrihy in der Hosenrolle des Prinzen, im Origanal treffend Prince charmant bezeichnet. Ihr Mezzo ist farbenreich, weich mit einer jugendlich ungestümen Strahlkraft. Im Spiel schlüpft sie überzeugend in die Rolle bei diesem ihrem Debut am Pariser Opernhaus. Daniela Barcellona ist eine spröde, derbe Stiefmutter mit einer durchschlagenden Stimme. Ihr muss sich Laurent Naouri als ihr Ehemann Pandolfe entgegensetzen. Als fürsorglich geläuterter Vater Cendrillons gewinnt er an Ausdrucksstärke nach der Pause. Stimmlich liefert er eine sichere Gestaltung. Eine herzliche und berührende Fee gibt Caroline Wettergreen. Mit ihrer glasklaren perlenden Sopranstimme nähert sie sich nahezu mystisch ihren koloraturhaften Spitzentönen und bleibt in ihren grazilen Bewegungen im Glutzerkleid durchaus märchenhaft. Emy Gazeilles als Néomie und Marine Chagnon als Dorothée ergänzen die Familie als zwei plumpe dreiste Stiefschwestern, die gewollt wenig Sympathien gewinnen.

Ein feenhaft romantischer Opernabend mit gutem Ende wird vom Publikum im ausverkauften Haus lautstark gefeiert. Großer Beifall für alle Mitwirkenden.

Dr. Helmut Pitsch

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