Das Dänische Rundfunk Symfoniorkestret im Erzählmodus mit Barbara Hannigan

Xl_266b19dc-071d-4658-b342-0bfb49521178 © Helmut Pitsch

DR Symfoniorkestret DR Koncerthuset Kopenhagen 18.5.2023

Das Dänische Rundfunk Symfoniorkestret im Erzählmodus mit Barbara Hannigan

Imposant steht der blau verkleidete transparente Kubus in einem neu entwickelten Stadtteil der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Die Errichtung des neuen Konzerthauses durch den Stararchitekten Jean Nouvel dauerte 10 Jahre und war von Skandalen und Kostenüberschreitungen geprägt. Das Ergebnis ist optisch beeindruckend, akustisch werden am Werk des Japanischen Akustikpapstes Toyota auch hier immer kritischere Stimmen laut, wie auch in der Elbphilharmonie.

Wie diese ist auch hier das Publikum um das Podest herum gruppiert. Der Raum in zarten Rotton mit Holz ausgekleidet hat keine Ecken und soll an einen Meteor erinnern. Der Saal ist Heimstätte des Dänischen Rundfunk Symphonieorchesters - DR Symfoniorkestret, dem bedeutendsten Klangkörper Dänemarks. Unter der Leitung der Kanadierin Barbara Hannigan bieten sie einen ansprechenden modernen Konzertabend.

Barbara Hannigan hat nach ihrer Karriere als Sängerin besonderer Charakterrollen das Dirigieren zu einer wesentlichen Betätigung erklärt und wird von zahlreichen Orchestern im Rahmen der besonderen Aufmerksamkeit auf weibliche Interpreten eingeladen. Die griechische Sopranistin Aphrodite Patoulidou ist Mitglied in Barbara Hannigans Mentorenprogramm Equilibrum und arbeitet an ihrer internationalen Karriere an den großen Opernbühnen. Sie eröffnet den Abend mit einem von ihr arrangierten griechischen Volkslied. Sie begleitet sich selbst mit einem traditionellen Instrument, einer Art Harfe oder Hackbrett, das sie in den Händen hält und zupft. Sie steht dabei auf einem der Balkone unter den Zuschauern. Anmutig nahezu intim und natürlich fließen die Töne zu einer Melodie zusammen. Zumeist bleibt sie in hoher Lage, welche ihrem weichem hellen Sopran in der Intonation zu Gute kommt.

Ohne Unterbrechung steigt das Orchester ein und setzt mit einer getragenen Interpretation von Richard Strauss frühen Werk Tod und Verklärung fort. Die Tondichtung 1889 entstanden handelt vom Leiden und Sterben eines Kranken, den Träume in eine bessere Welt entführen. Mit Akribie leiter die Dirigentin das Orchester unterdrückt dabei Gefühlswelten der Partitur, unterbindet anschwellende Steigerungen sodass emotionale Höhepunkte nicht ausgeschöpft werden.

Nach der Pause steht mit Arnold Schönbergs Verklärte Nacht eine weitere stimmungsgeladene Tondichtung auf dem Programm. Ursprünglich 1899 vertonte der Gründer der Moderne das gleichnamige Gedicht von Richard Dehmel als Streichsextett. 1917 entstand seine Fassung für Streichorchester. Das Gedicht handelt von einem Paar, sie gesteht ihrem Liebhaber im Mondschein, dass sie ein Kind von einem anderen erwartet. Der Liebhaber will das Kind als eigenes aufnehmen. Das Werk op 4 stammt aus der tonalen Schaffensphase und ist in der Romantik verhaftet. Zart und ruhig ist der Umgang der Streicher mit dem Bogen, das matt schimmernde Mondlicht ist im Klang abgebildet. Ruhig und gefasst wirkt die Interaktion in den Themen des fünfsätzigen Werkes ohne Pause. Der Zuhörer begleitet die beiden Spaziergänger, die Spannung aber auch die versöhnende Harmonie ist spürbar. Hannigan vermeidet Dramatik und lässt die Tondichtung lyrisch naturverbunden ausgeglichen erscheinen.

Eindrucksvoll ist das folgende selten gespielte Werk Lonely Child des wohl bedeutendsten kanadischen Komponisten Claude Vivier. 1948 geboren wuchs er bei Adoptiveltern sehr religiös erzogen auf. Sein Wunsch Priester zu werden scheiterte an mangelnder Reife. Er studierte Musik am Konservatorium in Montreal und während eines Europa Aufenthaltes auch bei Karlheinz Stockhausen. Auf zahlreichen Reisen auch in Asien wurde sein kompositorischer Stil geprägt. Seine Religiosität, unbekannte Herkunft und Homosexualität sind biographische Charaktermerkmale seines Schaffens. 1983 wird er in Paris von einem Prostituierten ermordet. Modern aber nicht atonal, sperrig im Rhythmus ist das 1980 entstandene Opus für Sopran und Orchester. Aphrodite Patoulidou macht die Einsamkeit des Kindes spürbar. Langeweile, unbeholfen kämpft das Kind gegen ein Unwohlsein, sucht sich zu beschäftigen. Wörter und Geräusche formt sie mit Energie und Überzeugung. Mit den Handflächen klopft sie auf Mund und Wangen und verbreitet so die Klangwelt aus dem Orchester. Dort dominiert ein Gong, Schlagzeug und Marimba. Prägend ist ein Solo der Pauke. Neun Schläge von spannungsgeladenen Pausen unterbrochen halten das kindliche Treiben an. Ist dies der Neun Uhr Schlag, gefolgt von einem Gong und Aufruf für das Kind. Nochmals wird es unruhig bis das Ende des Werkes sanft ausklingt. Barbara Hannigan verleiht ihrem Landsmann eine markante impulsive wie auch epische Ausgestaltung seiner Arbeit, die aufruft mehr von diesem Komponisten zu hören.

Viel Beifall aus dem vollen Saal.

Dr. Helmut Pitsch

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