Das Bayerische Staatsballett begeistert im Tanz ohne Grenzen

Xl_pb3_paradigma_bedroomfolk_ensemble_c__wilfried_hoesl7w1a6876 © Winfried Hösl

Bayerisches Staatsballett Paradigma 

25.5.2021

 

Auch das bayerische Staatsballett erwacht nach dem langen schweren Lockdown und zeigt ein paar besondere Schmankerl aus seinem Repertoire zur Einstimmung und großen Freude der zahlreichen Anhänger, die diese ausgezeichnete Compagnie lange vermisst haben.

Der dreiteilige Ballettabend unter dem verbindenden Titel Paradigma zeigt unterschiedliche vielschichtige bis konträre Auffassungen und dementsprechend Choreografien. Der Begriff aus dem griechischen steht für Morallehre, für das Positive oder Negative zum Dogma. So gesagt für Alles das möglich ist, auch im Tanz. Dies ist in den drei Stücken des Abends gut nachvollziehbar.

Broken Fall ist eine mechanisch technische Choreographie von Russell Maliphant. Die Musik stammt von Barry Adamson vom Band gespielt. Technomusik, industrielle, statisch maschinelle Geräusche wechseln mit kurzen romantischen Melodien zum Teil vom Klavier gespielt ab. Seit Jahren arbeitet Russell Maliphant mit dem Lichtregisseur Michael Hulls zusammen und die beiden haben ihren eigenen Stil von einem Wechselspiel aus Bewegung und Licht entwickelt.

Der Pas de Trois von zwei Tänzern und einer Tänzerin ist gekennzeichnet von Akrobatik, viele Hebefiguren verbunden mit einem leblosen Fall. Der tänzerische Fluss in den Bewegungen ist reduziert, die einzelnen Figuren wirken wie aneinandergereihte Kunststücke. Die akrobatischen Kunststücke sind beeindruckend und überzeugend zur Musik passend. Im zweiten Teil des 2003 in London uraufgeführten Stückes tanzt Jeanette Kakareka ein Solo geprägt von verschlungen gewundenen Bewegungen, die höchste Körperbeherrschung verlangen

Im zweiten Teil folgt mit Bedroom Folk eine Choreographie von Sharon Eyal zur Musik von Ori Lichtik. Die israelin ist Mitbegründerin der bekannten in Jerusalem ansässigen LEV Tanzcompagnie. Das Stück schuf sie 2013 für das Nederlands Danse Theater. Beißender Taktschlag treibt unbeirrbar wie eine Uhr voran. Kaum kommt eine klangliche Modulation. Die Choreografie ist auf absoluten Gleichschritt abgestimmt. Die acht Tänzer*innen verschmelzen förmlich. Die Perfektion ist die Herausforderung und nur mit bemerkenswerter Konzentration möglich. Keine Pas de Deux unterbrechen, lediglich sondern sich einzelne Solisten im Gleichschritt ab. Ein feuerroter Hintergrund schafft einen wirkungsvollen Kontrast zu den schwarzen enganliegenden Kostümen. Die Monotonie der hämmernden Schläge und Schritte wirkt berauschend für den Betrachter. Die Spannung entlädt sich in tosenden Applaus.

Zum Abschluss gibt es ein Wiedersehen mit With a chance of rain von Liam Scarlett, diesmal live. Dessen europäische Erstaufführung wurde vom Bayerischen Staatsballett am 18. Dezember 2020 während des Lockdowns getanzt. 2014 erlebte diese auf organische natürliche Tanzbewegungen ausgerichtete Choreographie ihre Uraufführung am American Ballet Theatre. Wir kehren zurück in das klassische Ballett mit Spitzentanz und fließenden weichen sehr auf die Musik abgestimmten Bewegungen. Vor einem hellblauen Hintergrund gestalten vier Paare eine Tanzsuite zur Musik von Sergej Rachmaninow. Im Orchestergraben sitzt Dmitry Mayboroda am Flügel und spielt wahrhaft beseelt die hochromantischen Werke akzentuiert mit kräftigem Anschlag. Dazu vollbringen auf der Bühne die Mitglieder des Bayerischen Balletts Tanzkunst auf höchstem Niveau, ausdruckstark und formvollendet. Die Figuren wirken so harmonisch, natürlich fließend aber im Detail sind diese schwierig und sehr anspruchsvoll, insbesondere wenn sie leicht und schwebend wirken sollen. Einfallsreich und facettenreich ist diese Regiearbeit des Briten, der auch die Tänzer in die Entwicklung des Stückes eingebunden hatte. Es wechseln sich locker im Übergang Pas de Deux und Gruppenformationen ab, aber auch manch gewagte Sprünge, Jetés und Cabriolen sind dabei.

So stehen sich an dem Abend gemäß dem Leitmotiv unterschiedlichste Ausdrucksformen des Tanzes gegenüber und geben mitreißende Beispiele für die Vielfalt des zeitgenössischen klassischen Balletts und die Vielzahl seiner Einflüße wieder. Die tanzbegeisterten Fans spenden ausgiebig Beifall und trommelnde Füße erschüttern das Haus.

Dr. Helmut Pitsch

 

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