
Jean Philippe Rameau Castor et Pollux Salzburger Festspiele 27.8.2025
Currentzis - Rameau in Salzburg: Eine Feier des Universums
Spannend in der diesjährigen Programmgestaltung der Salzburger Festspiele ist das Erlebnis von drei Barockopern durch deren Herkunft mit unterschiedlicher Prägung. Neben dem deutschen Vertreter Georg Friedrich Händel mit Giulio Cesare, dem Italiener Antonio Vivaldi mit Hotel Metamorphosis kommt zum Abschluss mit Jean Philippe Rameau und seiner zweiten Oper Castor und Pollux ein Franzose zu Gehör.
Die 1737 entstandene Tragedie en musique handelt von der aufopfernden Bruderliebe zwischen dem unsterblichen Halbgott Castor und dessen sterblichen Halbbruder Pollux, beides Söhne von Leda. Für ihre Heldenhaftigkeit zur gegenseiigen Rettung werden sie in einem lieto fine zu unsterblichen Sternen, die am Firmament leuchten.
Erst spät mutierte Rameau im Alter von 50 Jahren zum Musikdramatiker und entfachte mit seiner feingliedrigen Ästethik und fließenden Übergängen von Arien und Rezitativen als auch Orchesterpassagen einen wahren Kampf mit den Anhängern seines Vorgängers Lully. „Seine Musik trifft uns direkt im Herzen wie ein Sonnenstrahl“ fasst Teodor Currentzis seine Begeisterung für die Musik Rameaus zusammen. Der Russe mit griechischen Wurzeln gestaltet für die diesjährigen Salzburger Festspiele Castor und Pollux gemeinsam mit seinem Utopia Chor und Orchester.
Ursprünglich war ein konzertanter Opernabend vorgesehen, nunmehr gibt es eine halbszenische Einrichtung von Peter Sellars, begleitet von einer Videoinstallation von Alex MacInnis, die Weltraumblicken aus einer Raumstation ähneln. In einem ähnlichen Setting wurde das Werk bereits in Paris gezeigt. Ein paar einfache Möbelstücke, Bett, Sofa, Tisch und Küchenzeile wie aus dem IKEA Katalog stehen auf der Bühne der Felsenreitschule, der Chor sitzt zur rechten und linken Seite.
Die Athmosphäre schafft Teodor Currentzis am Pult. Der zur (Selbst-)Inszenierung neigende Ausnahmekünstler zieht den Zuhörer von Beginn in den Bann. Vom ersten Ton an füllt die zu Grunde liegende Traurigkeit der Partitur den Raum. Der Schmerz der Geliebten und des Bruders sind in Töne und ausladende Harmonien gekleidet, die Currentzis sehr fein zerlegt und phrasieren lässt. Es sind die Details aus den verschiedenen Orchesterstimmen die ein großes Ganzes zusammensetzen.
Barocke Originalinstrumente schmücken den Klang weiter aus. Tief in meditativer Konzentration verfallen gibt Currentzis ruhige kleine Zeichen, spricht jedes Wort den Solisten und dem Chor vor. Aufmerksam wird ihm gefolgt und sein Nimbus überträgt sich auf die Mitwirkenden. Dieser Rameau wird hier verinnerlicht, zu einer fast sphärischen Metamorphose verwandelt, keine barocke Üppigkeit, keine Abfolge von Nummern sondern ein transparenter Guss. Wiederum tritt ein erstklassiges Sängerensemble an, die intensive Vorbereitung mit den jungen Dängern ist hör- und erlebbar. Mit Jeanine de Bique als Telaire, die trauernde Geliebte von Pollux, aber ebenso im Stillen von Castor angebetet, versteht es ihre Emotionen, ihr Leid in stimmungsvolle Töne zu formen, zart ist ihr Gesang, melancholisch die Färbung. Mit ihrer guten Stimmtechnik kann sie die Melodien ausprägen, lang im Atem verklingen lassen, welches weitere Spannungseffekte erzeugt. Auch im Spiel wirkt sie authentisch. Reinoud van Mechelen ist der zerrissene unsterbliche Castor, der zuerst hofft, nun seine Liebe offenbaren zu können aber von den innigen Bitten Telaires übermannt wird und das Leid mit dem eigenen Tod beenden will. Diese Konflikte und emotionalen Stresssituationen kann er gut in seinen Auftritt und gesangliche Darstellung einbauen, wenngleich ihm seine Stimme im Piano nicht alle Farbgebungen erlaubt. Seinen Bruder Pollux gibt Marc Mauillon viel Empathie, das Opfer des Bruders anzunehmen. Hier hätte mehr Finesse als Gegenpol Soannung erzeugen können. Yulia Vakula ist Phebe, die treu liebende Gattin Castors. Sie findet in der Dreiecksbeziehung der Brüder mit Telaire nicht wirklich ihren Platz und bleib trotz anmutigen Gesangs isoliert. Der junge Laurence Kilsky beeindruckt mit einer sehr leichten transparenten Tenorstimme als Amor und Grand Pretre de Jupiter. Fliessend erklimmt er die hohen Töne und zeigt eine schöne Legatokultur. Nicholas Newton ergänzt als strammer Mars und Jupiter das exzellente Ensemble.
Großer geradezu ehrführchtiger Jubel im ausverkauften Haus.
Dr. Helmut Pitsch
01. September 2025 | Drucken
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