
George Enescu Oedipe Bregenzer Festspiele 20.7.2025
Oedipe in bildgewaltiger Epik in Bregenz
„Schudlos schuldig“ prangt über der berühmten griechischen Tragödie Ödipus vom bedeutenden Dramatiker Sophokles. Für die Vergehen seines Vaters König Laios muss dessen Neugeborener Sohn Ödipus durch Gottesurteil büßen. Ein Orakelspruch bezichtigt das Kind, den Vater zu töten und die Mutter zu heiraten und mit Ihr Kinder zu zeugen. Trotz aller Vorkehrungen erfüllt sich das Orakel und Ödipus blendet sich und irrt zwanzig Jahre durch Griechenland, begleitet von der treuen Tochter Antigone, bis er einen Platz zum Sterben findet.
Zwanzig Jahre arbeitete auch der rumänische Komponist George Enescu an seiner einzigen Oper Oedipe. Der als Geiger und Dirigent bedeutende Musiker am Beginn des 20. Jahrhunderts, meist in Paris lebend, steht in seiner Musik zwischen der Romantik eines Wagners, rumänischer Volksmusik und der Moderne. Das Ergebnis ist ein farbenreicher Klang der kaum Melodien erkennen lässt und so auch nicht fliessend ist. Fragmentarisch komplex werden immer neue Bilder in einem groß angelegten Orchesterapparat angelegt. Die Partitur kennt keine wirklichen Arien, sondern verharrt in einem monotonen Sprechgesang. Die musikalische Besonderheit des Werkes wird wissenschaftlich anerkannt, auf den Bühnen ist es bis heute aber selten zu erleben.
Die neue Intendantin der Bregenzer Festspiele die Finnin Lilli Paasikivi hat das Werk für ihre erste Saison als Oper im Festspielhaus angesetzt. In diesem Format werden zumeist Raritäten gezeigt als Gegensatz zu den populären Publikumsmagneten auf der Seebühne. Die musikalischen Farben der Partitur haben Andreas Kriegenburg für seine gelungene detailreiche Inszenierung inspiriert. So setzt er jedem Akt ein Element und damit Farbe als Leitbild voran, das auch die Bühnengestaltung von Harald Thor und die klassischen Kostüme von Tanja Hofmann beeinflussen. Feuer und Rot stehen zum ersten Akt, der Geburtsszene und Verdammung, Wasser und ein leuchtendes hell bis grau für den zweiten Akt, die Nebel der Jugend und Orientierungslosigkeit, sowie den unerkannten Vatermord symbolisierend. Hier auch die einschneidende Szene der Begegnung mit der Sphinx und der schicksalshaften Zweideutigkeit der Lösung ihres Rätsels. Asche und schwarze Dunkelheit für den dritten Akt, mit der grausamen Erkenntnis der vorausgesagten Vergehen, sowie der Sebstblendung Oedipes. Holz und Erde stehen im vierten Akt für Licht und hell für die Ankunft am Ende des dunklen Gangs der Irre und der folgenden Erlösung.
Das Bühnenbild besteht aus rauhem unbearbeiteten Holz, zumeist nur mobile Bretterwände bzw Stämme im Schlussbild. Dazu erarbeitete Kriegenburg eine intensive ausgetüftelte Personenregie, um der Monotonie der Partitur aussagekräftige Bilder an die Seite zu geben. Dabei aber nicht hektisch überinszeniert sondern harmonisch fließend in langsamen Bewegungen. Das Konzept funktioniert gut und bannt das Publikum.
Die umfangreiche Partie des Oedipe meistert Paul Gay mit guter Darstellung und einer sonore Mittellage wohlig im Klang und weich eingebettet. In der Tiefe verschwimmt der Ton unrein absteigend. Ante Jerkunica taucht als blinder Seher Tiresias immer wieder in Situationen der Unsicherheit und Ratlosigkeit auf. Mit kräftiger Stimme warnt er das Volk und seine Herrscher und weiß Übles in mahnende Worte zu kleiden. Marina Prudentskaya ist eine zurückhaltende Iocaste und eine hoheitsvolle Erscheinung. In Ihren kurzen Auftritten zeigt sie auch ihre gesangliche Gestaltungskraft. Als Ihr Bruder Kreon und Ödipus Nachfolger als Regent erscheint Tuomas Pursio zurückhaltend und devot, im Gesang ebenso ruhig und ohne Emotion, eine gewisse Undurchsichtigkeit aufkommen lassend. Anna Daniks schrille Sphinx passt sehr gut zur Rolle, mystisch und gefahrvoll ist auch ihre äußere Erscheinung mit grossen weiten Flügeln. Iris Candelaria folgt und führt als brave Tochter Antigone ihren blinden Vater mit Anmut.
Wieder überzeugt der Prager Philharmonischer Chor von Lukas Vasilek bestens für den umfangreichen Auftritt vorbereitet. Zentral ist seine Rolle als Hofstaat und Volk immer auf der Bühne über drei Stunden präsent.
Am Pult formt Hannu Lintu einen ruhigen Klang zumeist ausgeglichen in der Lautstärke. Er achtet auf die Sänger, führt das Bühnengeschehen mit der Partitur zusammen. Im Tempo und Klang wären mehr Vielfalt möglich gewesen.
Vom Publikum wird die Aufführung mit großer Begeisterung und Zuspruch für alle Beteiligten aufgenommen. Lang anhaltender Beifall im ausverkauften Haus.
Dr. Helmut Pitsch
22. Juli 2025 | Drucken
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