Beziehungsdramen werden zu lebendigen Krimis in Erl

Xl_bffbe124-fbe9-42a7-9041-8bf2f896afa1 © Monika Rittershaus

Bela Bartok Herzog Blaubarts Burg / Francis Poulenc La Voix humaine Tiroler Festspiele Erl 18.7.2025

Beziehungsdramen werden zu lebendigen Krimis in Erl

„Mann und Frau im Laborzustand“ so beschreibt Claus Guth, Regisseur der szenischen Opernpremiere der diesjährigen Tiroler Festspiele Erl. Es ist ein speziell und neuartig zusammengestellter Abend der zwei kurze Werke miteinander zu verbinden sucht. Es ist dies der Einakter Herzog Blaubarts Burg von Bela Bartok und die Monooper La Voix humaine von Francis Poulenc.

Bartoks Werk fusst auf Charles Perraults Märchensammlung aus 1697, Poulenc vertont das Monodram Jean Cocteaus. Beiden Werken ist zu eigen, dass das Ungesagte stärkere szenische Aussagekraft hat als das Gesagte bzw Gesungene. Hier ist es die spannungsbezogene Versuchung eines Serienmörders und seines Opfers mit Helfersyndrom, dort die Konstruktion, eine Beziehung zu retten. In beiden Werken stehen zwei Frauen im Mittelpunkt, die in einer männlich geprägten Welt reüssieren wollen. Szenisch versucht Guth, die Werke zu verbinden, indem er die Frau aus La Voix humaine bereits bei der Begegnung von Judith und Blaubart mit Koffer und Regenmantel anwesend sein lässt, so beginnt dann der zweite Teil des Abends wieder, nur verfolgen wir nun die Frau, wie sie im Hotel eincheckt und dann aus ihrem Zimmer das Telefongespräch aufsetzt. Zum Schluss gibt es nochmals eine nicht logische szenische Verbindung. Die Frau betritt plötzlich durch eiinen Vorhang Blaubarts Burg, deren Bau wir zuvor erlebt haben und erschiesst Blaubart. Ist dies Bild stellvertretend für den Laborzustand, den Guth für seine Arbeit hier in einem Interview thematisierte?

Sehr spannend und intensiv ist seine Personenregie. Die Auseinandersetzung, das bildhafte Kennenlernen des frisch getrauten Paares Blaubart und Judith löst er mit kluger Verschmelzung des sich langsam aufbauenden Bühnenbilds von Monika Korpa und der Lichtregie von Michael Bauer. Judith will Licht und Sonne in Blaubarts Burg und somit ins gemeinsame Leben bringen. Mit jeder Öffnung einer Tür wird aus der Kammer eine Wand eines großen allmählich lichtdurchfluteten Raumes.

Große schauspielerische Fähigkeiten zeigen in dieser mitreißenden Inszenierung die Sänger und Sängerinnen des Abends. Florian Boesch ist ein mystisch anziehender Blaubart, der mit warmen Bariton gekonnt verführen kann ohne wirklich Emotionen zu generieren. Dies macht ihn umso begehrter für Judith, die von Christel Loetzsch unter vollem Einsatz sehr überzeugend dargestellt wird. Ihre Gefühle wirken magisch dominant über ihr Ego bis exzessiv in dem Wunsch, Blaubart zu erobern, um dabei sebst Opfer zu werden. Sie verwandelt ihre Stimme ohne Brüche, ihr Mezzosopran verfügt über eine dunkle angenehme Färbung und wird so nicht überdramatisch.

Die Rolle der Frau bei Poulenc ist für Barbara Hannigan in den letzten Jahren ein Markenzeichen geworden. Selbst als Dirigentin ist sie gleichzeitig in diese Solopartie gesprungen. Die Franco - Kanadierin legt viel Ausdruck in die Worte, nach etwas trockenem Beginn füllt sich ihre Stimme mit viel Gehalt und sie setzt die ständig wechselnden Gefühlsausbrüche packend um. Von belanglosem Smalltalk zu eruptiven Gefühlsausbrüchen kann der mitgerissene Zuhörer die Vielfalt der Farben erleben. Dazu gubt es sportliche Übungen zur Nachahmung empfohlen. Wie es ihr gelingt, den Hörer mit den Zehen zu halten bleibt rätselhaft.

Der junge Dirigent Martin Rajna erfreut mit einer spannungsgeladenen sehr rythmisch durchdringenden Interpretation der Musik Bartoks. Die versteckten Melodien lässt er anklingen ohne in Romantik zu verfallen. Die Dramatik der Partitur liegt ihm näher, auch wenn er mitunter sehr viel Lautstärke hinein legt. Mit mehr Zurückhaltung des wieder gut einstudierten Orchesters der Tiroler Festspiele begleitet er die Solistin bei Poulenc und füllt die Rolle des stummen nicht anwesenden Partners mit ausgefülltem Spiel.

Große Begeisterung und Zuspruch vom Publikum für diesen außergewöhnlichen Abend, der durch kluge realistisch erlebbare Regie und großen Sängerleistungen besticht. Die Tiroler Festspiele etablieren sich weiter im internationalen Festspielkalender mit herausragenden Projekten.

Dr. Helmut Pitsch

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading