Barockes Feuerwerk der Stimmen – Porporas Carlo il Calvo wiederbelebt in Wien

Xl_250920pressefoto_cencic_2018_a_dsc_7100_h_c_anna_hoffmann__002_ © Anna Hofmann

Barockes Feuerwerk der Stimmen – Porporas Carlo il Calvo wiederbelebt in Wien

Carlo il Calvo 20.9.2020 Theater an der Wien

 

Nicola Antonio Porpora (1686-1766) prägte das Musikleben seiner Zeit. Er gilt als der Meister der in seiner Zeit vorherrschenden opera seria, die durch die Trennung von Rezitativ und Gesangsnummer ausgeht. Rezitative sind umfangreich und bilden den Handlungsstrang ab, Arien sind auf die Präsentation der Stimme virtuos und solistisch ausgerichtet.  Von seiner Geburtsstadt Neapel startete er eine Karriere, die ihn über Rom, Venedig nach London brachte. Dort konkurrierte er mit keinem geringeren als Georg Friedrich Händel als Opernimpressario, um nach einem finanziellen Debakel als Kapellmeister und Gesangslehrer in Dresden und in Wien sein Geld zu verdienen, wo Joseph Haydn als sein Kammerdiener für ihn arbeitete.

Nicht nur als Komponist, sondern besonders als Gesangslehrer hat Nicola Porpora seinen Ruhm gefestigt. Der sagenumworbene Kastrat Farinelli war sein Schüler und viele seiner Werke entstanden gerade, um die Qualitäten und Talente seiner Schüler besonders hervorzuheben. Dabei war seine Spezialität die Aria bravura zur Selbstdarstellung seiner Günstlinge.

Er hinterließ ein großes Schaffenswerk, aber viele Werke sind in Vergessenheit geraten. Dieses Schicksal teilt auch das 1738 in Rom uraufgeführte dramma per musica Carlo il Calvo. Die Handlung bildet den Kampf um die uneingeschränkte Macht im Frankenreich ab. Eine bizarre Familienfehde, die vor Mord und Intrigen, Schlachten und Gottesurteilen nicht zurückschreckt. Ludwig der Fromme, der Sohn Karl des Grossen,  stirbt und teilt sein Reich zwischen seinen beiden Söhnen aus zwei Ehen, dem herrschsüchtigen erstgeborenen Lottario und dem minderjährigen Carlo il Calvo, dessen Machtanspruch von seiner Mutter Giuditta verfolgt wird. Deren Töchter aus erster Ehe Gildippe und Eduige stehen in Liebesbeziehung zu Adalgiso, Lottarios Sohn und Berardo, einem treuen Gefolgsmann Giudittas. Umfangreich ist die Handlung und nach harten Kämpfen löst sich alles in Wohlgefallen auf und eine Doppelhochzeit schließt die Oper.

Das Theater an der Wien bringt nun zur Eröffnung der ersten „Nach“ Corona Lockdown Saison eine auf die Gesangsnummern gekürzte Version dieser selten gespielten Oper konzertant auf die Bühne.  Kurz zuvor feierte das Werk in einer szenischen Aufführung einen großen Erfolg in den neugegründeten Bayreuther Barock Opern Festspielen in der Regie von Max Emmanuel Cencic, der auch der Leiter dieser Festspiele ist. Das Solistenensemble trifft nun wieder in Wien weitgehend zusammen. Vor dem Bühnenbild der ebenfalls zur Zeit gespielten, ebenfalls in Vergessenheit geratenen Zara von Ruggiero Leoncavallo bekommt der konzertante Opernabend eine gewisse Bühnenauthenzität, mit Mimik und Gestik aber insbesondere durch die Stimmakrobatik der sehr fordernden Musik kommt wahrlich Leben im Theater auf.

Mit Max Emmanuel Cencic als Lottario, Franco Fagioli als Adalgiso und Bruno de Sa als Berardo treten gleich drei Countertenöre als Spitzenvertreter ihres Faches auf. Da nur Arien gegeben werden und jeder Sänger nach seiner Darbietung mit Applaus bedacht wird fühlt es sich wie ein Wettstreit an. Immer artistischer werden die Koloraturen, die Höhensprünge immer wagemutiger und die Läufe rasant ans Limit gedrängt. Trotzdem bleibt auch die Flexibiltät für Stimmung, Farbe und Klangnuancen spürbar. Beeindruckend ist die stimmliche und auch körperliche Leistung, für den Zuhörer und Barockfan ist es ein wahres Hörvergnügen. Dazu gesellt sich mit Julia Lezhneva als Gildippe ein weiterer internationaler Star, besonders für das barocke Fach. Die zierliche Russin hat viel Stimme und einen glasklaren Sopran bis in die höchsten Lagen, den sie jederzeit in allen Facetten sicher varieren kann. Dabei immer ein Lächeln im Ausdruck, von Kraft und Anstrengung keine Spur. Edel und akurat setzt Nian Wang als ihre Schwester Eduige dagegen. Viel Dramatik und Kampfgeist sprüht Suzanne Jerosme als deren Mutter Giuditta dagegen, von beidem zuviel, denn ihre Stimme wirkt hart und gepresst.

Das griechische Orchester Armonia Atenea tritt an vielen internationalen Festspielen auf und ist ein gerngesehener und gehörter Klangkörper bei vielen Opernproduktionen. Ihr musikalischer Leiter George Petrou hat sich und sein Orchester auf alte Musik spezialisiert. Beherrscht auf Ausdruck und Klarheit ausgerichtet führt er sein Orchester und hebt die Soli hervor und führt die Stimmen mit dem Orchester harmonisch ausbalanciert zusammen. Das kommt gut an und das Publikum spendet stehend begeisterten Applaus.

 

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