Barocker Gesangszauber in Innsbruck

Xl_20200810_jephte-013_c_veronika-lercher © Veronika Lercher

Europa wird derzeit von strengen Massnahmen regiert, die besonders hart den Kulturbetrieb treffen. Aber nicht nur in Zeiten von Corona auch zur Zeiten der Inquisition und unter dem Einfluss der Kirche wurde fleischliches Vergnügen beschnitten. So wurde auch das Opernleben verdammt und um zu überleben,  flüchtete sich die Kunst und die Künstler in die geistliche Musik. Sie schufen Oratorien, die an opernhafter Strahlkraft nur so strotzten. Die Stoffe waren aus der klassischen Mythologie gewählt und somit unverfänglich. So auch die Geschichte von Jephta, jenem Heerführer, der auf grund eines Eides seine Tochter für den Sieg gegenüber den Feinden opfern sollte. Die Tragödie wird durch das Wohlwollen der Götter am Ende verhindert. Giacomo Carissimi nannte sein Werk "Historia di Jephte" . Er lebte und wirkte von 1605 - 1674, war Chorsänger, Organist, Kapellmeister und Komponist. Er gilt als grosser Reformator der Kirchenmusik, Schöpfer von Arien und Duetten und bezog weltliche Musik mit ein. Als Lehrer unterrichtete er Antonio Cesti, der mit Innsbruck und so den Festspielen Alte Musik eng verbunden ist, Marc Antoine Charpentier und auch Alessandro Scarlatti.

Die einzige bekannte Originalfassung ist für sechs Solostimmen und Basso Continuo erhalten und ist ein typisches Beispiel frühbarocker Musik in Italien. Voces suaves ist ein Vokalensemble aus Basel, das seit 2012 mit verschiedenen Klangkörpern auftritt und sich gezielt der Gesangstradition und Technik der Renaissance und des Barock widmet. Die Stimmen zeichnen sich durch klare Tongebung, ausgeprägte Vokalformung und Intonation aus. Rezitative wie Arien werden transparent und klar dargestellt. Der Stimmumfang der zwei Soprane, einem Altus, zwei Tenören und einem Bass verleiht dem Ensemble Klangvielfalt und Breite. Mit Hingebung werden die lang gehaltenen Gesänge rezitiert sowie in Duetten die Gesänge verwoben. Unter der Kuppel der barockisierten Jesuitenkirche in Innsbruck kann sich der barocke Gesang besonders weich und vollmundig ohne Widerhall entfalten. Ein majestätisch feierliches Ehrfurchtsgefühl begleitet den Kunstgenuss.

Neben diesem grossen Werk des Frühbarock stellen die Sänger und ein kleines Instrumentalensemble um Michele Vannelli am Cembalo bzw der Orgel aufschlussreiche und vielfältige Werke von in Rom wirkenden Zeitgenossen von Giacomo Carissimi vor.

Mit einer sehr ruhigen Toccata aus einfachen Harmonien von Michelangelo Rossi beginnt der Abend auf dem Cembalo. Mit "Venite gentes" von Bonifazio Graziani und besonders dem "Lamento damnatorum" von Giacomo Carissimi folgen zwei wegweisende in Melodie und Harmonie ausgereifte Werke für Gesangsstimmen. Mit Girolamo Frescobaldis "O Jesu dulcissime" wird es für die Tenorstimme geradezu artistisch in Koloraturen und Tonsprüngen des angestimmten Freudengesanges. In Giovanni Girolamo Kapsbergers Passacaglia erlebt das barockafine Publikum den Klang der selten gespielten Theorbe in feiner Kunst durch Ori Harmelin.

Draussen wütet inzwischen ein heftiges Gewitter, Blitzlicht erhellt den Kirchenraum, ein natürliches Stimmungsbild passend zu den erzählerischen Stoffen des barocken Welttheater. Diszipliniert geht es zurück in die Neuzeit nach einem herzlichen dankenden Applaus. In Reih und Glied mit der vorgeschriebenen Maske ist der Kirchenraum zu verlassen.

 

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