Anton Bruckner und Christian Thielemann - Andacht im Herkulessaal in München

Xl_brso_2023-06-30_00079a.t.birkenholz_small__002_ © A.T. Birkenholz

Anton Bruckner 5. Symphonie Christian Thielemann Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunk 1.7.2023

Anton Bruckner und Christian Thielemann - Andacht im Herkulessaal in München

Er zählt zu den gefeiertsten und außergewöhnlichsten Dirigenten. Seine Interpretationen, sei es Opern von Richard Strauss oder Richard Wagner sind bahnbrechend und Maßstab. Seine Interpretationen symphonischer Werke von Bruckner, Strauss oder Mahler ebenso.

Christian Thielemann dirigierte alle großen Orchester oder an allen führenden Opernhäusern. Bis 2024 ist er musikalischer Leiter der Sächsischen Staatskapelle. Nun ist er Gastdirigent beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunk. Gemeinsam widmen sie den Saisonabschluss Anton Bruckner.

In einer schwierigen Lebensphase nach dem Verlust seiner gut bezahlten Lehrstelle in Wien, begann der große Symphoniker 1875 die Arbeit an seiner Fünften Symphonie B-Dur. Sie trägt viele Namen und alle charakterisieren sie treffend. Bruckner selbst nannte sie die „Kontrapunktische“ oder Phantastische. Sie ist wahrlich ein kompositorisches Meisterwerk in Aufbau, Durchführung und Struktur sowie Harmonielehre als auch Vielgestaltigkeit und Komplexität .Sie ist auch aus der Lebenssituation heraus ein sehr persönliches Werk, eine Ausprägung des tiefen Glaubens des Oberösterreichers und dessen Gottesfürchtigkeit. Die Nachwelt gab ihr den Namen Glaubenssymphonie oder die Katholische.

Fertiggestellt 1876 erlebt sie noch verschiedene Überarbeitungen bis 1878. Die Erstaufführung fand in Graz mit Kürzungen 1894 ohne Anwesenheit des Komponisten statt. Er hat das Werk nie selbst gehört. Die Urfassung wird erst 1935 in München uraufgeführt.

Das viersätzige Opus ist vor allem ein reifes, monumentales Werk, geprägt von zwei wuchtigen Rahmensätzen, einem breiten Adagio und einem höchst technischen Scherzo als Ausdruck der Bodenständigkeit des Komponisten. Über 80 Minuten versinnbildlicht sie höchste kompositorische Meisterschaft, ehrlich klar und transparent in der Erzählweise,

So treffen sich im nahezu ausverkauften Herkulessaal der Münchner Residenz zwei Meister. Die hohe Kunst des Dirigenten aber auch dessen unnachgiebige Forderung des Orchester hängt nervös im Raum. Jugendlich vital springt Christian Thielemann auf das Podest und widmet dem Publikum einen ernsten, ja nüchtern strengen Blick tief in die Reihen. Er wartet auf absolute Ruhe im Saal. Andächtig ernst und würdig ist der respektvolle Umgang mit dem großen Werk. Feingliedrig zart strömen die ersten Töne aus dem Nichts. Der Maestro ist konzentriert und fordert dies von den Musikern. Bis in den Fingerspitzen setzt er Zeichen, auch an seiner Mimik sind Wünsche ablesbar. An den Piani feilt er mit die Bedacht und Präzision, ausbalanciert wölbt er die Steigerungen, elegant ohne Schwere sind die für Bruckner typischen Entladung, oft als kosmisch beschrieben. Es gibt keine unbestimmten voluminösen klanglichen Ergüsse, sondern in der höchsten Dramaturgie bleibt das Orchester durchschaubar, in jeder Phase solistisch hörbar. Dies lädt den Zuhörer ein, tief in den Klang einzusteigen, den Instrumentengruppen zu folgen. Viele Details sind hörbar, Nuancen erkennbar. Ein Spannungsbogen hält den Saal in Atem. Wem die Ehrfurcht im Raum dient ist unbedeutend, die Wirkung spricht für sich.

Die Musiker folgen den Zeichen, alle Solisten überzeugen, kaum ein Bläserklang zeigt Unsicherheiten. Das Orchester ist als verschmolzene Einheit zu vernehmen.

Ein großer Abend, der die Vorfreude auf das Brucknerjahr 2024 zum 200. Geburtstag wachsen lässt.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

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