Anna Netrebko glänzt und verbreitet Glanz bei den Festspielen in München

Xl_61a3dc01-e775-41ff-b11d-1201c5de5987 © Winfried Hösl

Etwas Oper ist immer dabei. Liebevoll inszeniert Anna Netrebko ihrenLiederabend in München. Mit einem Strauss weisser Rosen im Arm tritt sie zu Beginn, fest eingehackt bei Malcolm Martineau ihrem Begleiter am Klavier auf die Bühne des Nationaltheaters. Weit ausladend ihr weiss blau gemustertes Kleid, die Haare zurückgekämmt im Nacken in einem Knoten vertaut. Sie gibt ihrem Liederabend auch einen Titel " Tag und Nacht" und passend dazu hat sie Lieder in russischer, deutscher, italienischer, französischer und englischer Sprache ausgewählt. Sie begeht damit einen Streifzug durch die Romantik bis zum amerikanischen Musical und zeigt ihre Vielseitigkeit und Flexibilität. Stimmungsvoll getragen beginnt sie mit elegischen Liedern aus ihrer Heimat von Sergej Rachmaninow "Flieder", "vor meinem Fenster" und "Hier ist es schön". Zum letzten Lied breitet sie wie auf einem Grab den Blumenstrauss am Boden aus, gleichsam einer Ode an einen verlorenen Freund. Locker, unprätentiös bewegt sie sich auf der Bühne, den Augenkontakt, die stimmungsvolle Nähe mit dem Publikum suchend, wirft Kusshändchen und lächelt siegesbewusst. Hier steht ein Star, eine Primadonna auf der Bühne, die sich ihrer Ausstrahlung bewusst ist und mit ihrer wunderbaren Stimme technisch ausgefeilt und akzentuiert umgehen kann. Selten hört man tiefe Lagen einer Sopranstimme so klar und noch nuancenreich, dunkel bleibt die Stimmfarbe auch in der Mittellage und in der Höhe steigt sie wie ein durchtrainierter Gipfelstürmer in höchste Sphären, bleibt leicht und trifft jeden einzelnen Ton wie komponiert und gewünscht. Dass der Russin die russischen Lieder gelingen war zu erwarten, umso mehr begeistert sie in der Interpretation von vier Liedern von Richard Strauss mit Wortverständlichkeit und Ausdruck. Für Morgen! Opus 27 Nr. 4 hat sie den jungen Geiger Giovanni Andrea Zanon auf die Bühne zur Begleitung neben dem Klavier eingeladen und zu dritt schaffen sie eine melancholische zärtliche Stimmung, die phantasievoll in der Phrasierung in Worte gekleidet ist. Und wieder wechselt Anna Netrebko im raschen Übergang in den Impressionismus von Claude Debussy und lässt wild aufbegehrend ihr Herz weinen, dem Titel entsprechend. Grosse Oper fühlt das ausverkaufte Haus bei Gustave Charpentier Arie aus der Oper Louise. Fetzig jazzig wird es kurz vor der Pause mit einem Lied von George Bridge und der bekannten Mattinata von Ruggero Leoncavallo. Unglaublich breit und gestaltungsreich beeindrucken diese ersten knapp 40 Minuten und zeigen das Talent der Künstlerin ohne Probleme in neue Rollen, neue Sprachen und Stimmungen zu schlüpfen. Ihrem wertvollem Stimmorgan entlockt sie dabei einen bunten Strauss an Farben und Nuancen, den sie noch kunstvoll verziert bindet. Nach der Pause wiederholt sich eine ähnlich vielseitige Mischung an Liedern im ärmellosen schwarzen Kleid übersät mit glitzernden Steinen wie der Abendhimmel. Mit der Mezzosopranistin Elena Maximova gibt es zwei Duette. In "es wird Abend" aus Pique Dame von Peter Iljitsch Tschaikowsky schlendern die beiden mit einem silbernen Luftballon ungezwungen über die Bühne, zur Barcarole aus Hoffmans Erzählungen von Jacques Offenbach verbergen sie ihre Gesichter hinter Masken mit Federn geschmückt. Hier gelingt besonders gut das stimmliche Wechselspiel, das in Klangfärbung und Ausprägung sehr harmonisch zusammenklingt. Im Abschiedslied "Ob Tag herrscht" wiederum von Tschaikowsky lässt die Diva nochmals ausgiebig ihre russische Seele baumeln. Zwei Zugaben können die begeisterten Zuschauer ihrer Angebetenen entlocken. Mit der bekannten Arie Giacomo Puccinis "O mio bambino caro" aus Gianni Schicchi, die sie liebevoll ausgestaltet und mit langgezogenen Spitzentönen ausschmückt entfacht sie weitere stehende Ovationen. Viel Appalus zu recht für Malcolm Martineau, der wohlverstanden einfühlsam sie begleitet und trotzdem seine Handschrift in den Tasten zeigt.

Dr. Helmut Pitsch

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