Amüsante Landung eines Türken im Nationaltheater München

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Gioacchino Rossini Il Turco in Italia Bayerische Staatsoper München 9.2.2022 Wiederaufnahme

Amüsante Landung eines Türken im Nationaltheater München

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Ein Türke auf Brautschau in Italien, gehörnte Ehemänner, unehrenhafte Liebhaber und bezahlte Weiblichkeit. Ein bunter Strauss von heute politischer Unkorrektheit ist der Stoff von dieser Opera buffa von Gioacchino Rossini. Il turco in Italia entstand in einer Welle von Turquoiserie, so wie die Vorgängeroper mit umgekehrter Geografie die Italienerin in Algier. In rascher Folge entstanden war Rossini ein Meister des Recycelns seiner Musik und trotzdem steht diese Oper als Solitär in seiner kompositorischen Gestaltung da. Außerordentlich ist auch der dramaturgische Aufbau durch die von Rossini erfolgte Einführung des Poeten, der einen Handlungsstoff sucht und durch seine Umgebung diesen gleich geliefert bekommt und mitgestaltet.

Christof Loy versetzt die Handlung der 1814 entstandenen Oper konsequent in die Neuzeit, verpackt diese spritzig deftig mit Klischees und spitzen Übertreibungen. Herbert Murauer schafft ihm dazu Bühne und Kostüme. Ohne viele Requisiten und Umbauten ist die nüchterne optische Gestaltung ansprechend und effektvoll . Die Auskleidung der Bühne wirkt wie eine Insustriehalle. Ein Wohnwagen steht zu Beginn befremdend in der Leere. Rasch kommt Leben auf, wenn dann einige Zigeuner aussteigen und sich mit Campingtischen und Sesseln ausbreiten. Das Hallentor öffnet sich nach hinten und gibt den Blick aufs Meer frei. Eine helle Wand schiebt sich auf die Bühne und wir gelangen in das Haus von Don Geronio. Bunt und freundlich sind die zu Süditalien passenden modernen Kostüme. Elegant der Maskenball mit Frack und Luster. Die Personenregie umfasst viele gelungene Einfälle und durch die durchgängig gute schauspielerische Leistung der Sänger und des Chores ist der Abend kurzweilig amüsant.

Gianluca Capuano beschäftigt sich umfangreich mit Barockmusik. In München gibt er nun sein Hausdebüt am Pult des Bayerischen Staatsorchesters. Es läuft holprig los, in der Ouvertüre klemmen manche Einsätze. Solistimmen verschwinden im vollen Orchesterklang. Schnell wachsen die Musiker zusammen und kriegen auch den nötigen Schwung und belcanteste Leichtigkeit. Insbesondere die Begleitung der Rezitative am Klavier ist locker ausdrucksstark und hält den Spannungsbogen.

Stimmlich ist die Besetzung dieser Wiederaufnahme ausgewogen. In der Titelrolle dominiert und überzeugt Alex Esposito als Selim, ein vornehmer Händler mit Verführungskünsten und Ambitionen. Für die Eroberung Fiorellas steigt er da auch in den Boxring. Männlich voll ist sein Bariton der ernsthaft und ulkig klingen kann, wie seine Mimik und lebendiges Spiel. Irina Lungu bleibt trotz ihrer vamphaften Liebes- und Manneslust immer Dame, perfekt gestylt und aristokratischen Habitus als Donna Fiorella. Stimmlich gelingen ihr die schnellen Läufe und Sprüng bestens und mit ihrer soliden Technik verleiht sie ihrer Rolle viel Farbe und stimmlichen Glanz. Ihren gehörnten gutmütigen Gatten Don Geronio füllt Misha Kiria meisterhaft aus. Grossgewachsen mit ausreichend Resonanz kann er mit schöner Führung seiner vollen Stimme berühren und Mitgefühl auslösen. Den coolen Liebhaber seiner geliebten Gattin Don Narciso erfüllt Michele Angelini mit veritabler Mittellage, die auf dem Weg nach oben kraftlos dünn wird. Zentral ist die Rolle des Poeten Prosdocimo, aber Nikolay Borchev ist es in der Partitur nicht gegönnt eine Arie zu singen und so seine anmutige sichere Stimme voll auszuschöpfen. Farblos bleibt Daria Oroszek als Zaida trotz gelenkiger Mitte für den Bauchtanz. Ihr Mezzo sitzt nicht locker und neigt zu Schärfe.

Viel Beifall und gute Stimmung bei allen im zur Hälfte besetzten Hause am Ende.

Dr. Helmut Pitsch

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