
Oper Frankfurt
Cosi fan tutte
(Wolfgang Amadeus Mozart)
Premiere 21. September 2025
Zum Spielzeitbeginn alles neu, jung und frisch an der Oper Frankfurt: mit dem erst 32-jährigen Generalmusikdirektor der Oper Thomas Guggeis steht ein junges, sechs-köpfiges Sängerensemble auf der Bühne, darunter ein Mitglied des Frankfurter Opernstudios, vier Rollendebutanten sowie zwei Hausdebutanten.
Die vielbeschäftigte und Mozart-erfahrene Regisseurin Mariame Clément zusammen mit ihrem Team Etienne Pluss (Bühnenbild) sowie Bianca Deigner (Kostüme) setzt eine äußerst zeitgemäße Interpretation um, die die ewigen, durch die Jahrhunderte gehenden (schein-)moralisch geprägten Diskussionen außen vor lässt. Sie verzichtet auch auf die ohnehin nicht funktionierende Verkleidungsakrobatik der commedia dell’arte der beiden Liebhaber.
Stattdessen erleben wir junge Menschen mit ihren Liebessehnsüchten und -verwirrungen. Wir sehen auch, welchem direkten oder inhärenten gesellschaftlichen Druck die Akteure ausgesetzt sind.
Eine Hochzeit ist womöglich der wichtigste persönliche und zugleich öffentliche Termin des erwarteten, oder erhofften Glücks zweier Menschen. Zentraler Orientierungspunkt der Produktion sind daher die geplanten, ausgetauschten und wieder zurück-arrangierten Hochzeiten, die am Ende doch alle nicht stattfinden. Die vier Ehepartner in spe stehen zum Schluss wieder ganz am Anfang ihrer Beziehung und haben eine Menge aufzuarbeiten.
Dazu sieht man schon zur Ouvertüre eine irreale Traum-Hochzeitsgesellschaft in der ursprünglichen Zusammenstellung der Paare Fiordiligi-Guglielmo sowie Dorabella-Ferrando. Als Fiordiligi als erste den Ehevertrag unterschreiben soll, friert das Bild ein und geht über in die Wettszene, in welcher die beiden jungen Männer zusammen mit Don Alfonso um die Treue ihrer Geliebten spielen wollen. Sie gehen dann auf das Abenteuer, die jeweils Geliebte des anderen zu verführen. Das gelingt auch schließlich, zum Entsetzen aller vier Partner.
Als sich nach allen Irrungen und Wirrungen die Partner scheinbar verziehen haben, soll endgültig die „richtige“ Hochzeit der ursprünglichen Paare – wie im Libretto – stattfinden. Stattdessen verweigert sich jedoch Fiordiligi erneut der Unterschrift und wirft – dann auch schnell mit Hilfe der anderen Partner – die ganze Hochzeitsgesellschaft kurzerhand aus dem Saal.
Die vier ungetreuen, und doch schmerzhaft Liebenden setzen sich schließlich im leeren, trostlosen Raum zu den Schlusstakten der Oper zusammen und starten den Versuch, alles, was sie erlebt haben, aufzuarbeiten. Das wird ein langer Weg – die gegenseitige Enttäuschung, der Schmerz und die Desillusionierung aller Beteiligten sind gewaltig.
Eine geniale, zeitgemäße, schlüssige und grandios in der Personenführung umgesetzte neue Sicht auf das so vielfach diskutierte Stück. Ganz klar die kreativste Umsetzung der letzten Jahre – vielleicht zusammen mit Dmitri Tschernjakow’s allerdings ganz anders gelagertem Ansatz in Aix en Provence 2023.
Die Bühne ist ein Erlebnisraum der besonderen Art: per Drehbühne werden wiederholt zwei öffentliche, sehr ähnliche Räume sichtbar, in denen die Hochzeiten stattfinden sollen, zwischendurch schon eine imaginäre Gesellschaft wie im Traum feiert, andererseits private Begegnungen der Liebenden und Verführenden stattfinden. Getrennt wird die Szene durch ein heruntergekommenes Funktionszimmer, von dem aus die Akteure durch die Strippenzieher Don Alfonso und Despina, die jeweiligen anderen Partner oder das Personal beobachtet werde können. Eine wirkliche Privatsphäre gibt es nicht.
Klug auch die Wahl der Kostüme: kein Mummenschanz mit orientalischer Verkleidung und angeklebten Bärten, sondern lediglich konträrer Wechsel in Design und Stil der Kleidung, so dass die Männer ganz im Gegensatz zu ihrem jeweiligen Charakter „verkleidet“ sind.
Jedem aus dem jungen Sängerteam kann man sogleich eine Goldmedaille verleihen: Teona Todua meistert in ihrem Rollendebut die halsbrecherischen Anforderungen der Partie der Fiordiligi meisterhaft als ob sie die Rolle schon in manchen Produktionen und unter unterschiedlicher musikalischer Leitung bewältigt hätte. Es wird interessant sein zu verfolgen, wie sich die vielseitige Sängerin im Laufe der Zeit weiter entwickeln wird.
Kelsey Lauritano lässt keinen Wunsch offen und präsentiert sich mit schöner und agiler Stimmführung als ebenbürtige Schwester der Fiordiligi.
Jonas Müller - aus dem Opernstudio des Hauses – besticht im Haus- und Rollendebut durch einen abgerundeten, reifen und schön sitzenden Baritonklang. Die Stimme des 26-jährigen Sängers ist an der differenzierten Kunstform des Liedes geschult und man kann gar nicht abwarten zu hören, mit welchen Leistungen der junge Künstler sich weiter präsentieren wird.
Magnus Dietrich überzeugt ebenbürtig mit feinnervigem und präzisem Tenorklang im Debut der anspruchsvollen Rolle des Ferrando.
Der junge Österreicher Liviu Holender steht nicht für den alten und verbitterten Zyniker als der die Figur des Don Alfonso oft gezeigt wird. Er ist nicht der alte Mann, den keiner mehr ernst nimmt. Sicherlich mag er enttäuschende Erfahrungen in seinem (Liebes-)Leben erfahren haben, doch in der aktuellen Situation dieser Wette scheint er noch immer die Verletzlichkeit der Betroffenen zu spüren und sogar mit ihnen zu leiden. All dies vermag Holender stimmlich und darstellerisch souverän mit seinem wandlungsfähigen und sicher geführten Bariton glänzend zum Ausdruck zu bringen.
Bianca Tognocchi brilliert als coole und anscheinend erfahrene Despina als Unterstützung für Don Alfonso bei der Intrige um und mit den vier Partnern. Eine zeitgemäße Frau von heute, keine ach so lustige, harmlose commedia dell’arte-Puppe. Und so singt und spielt die Tognocchi auch: souverän, spielerisch sicher in der Stimme, einfühlsam in den Ensembles und überlegen in der szenischen Darstellung.
Der Chor unter der Leitung von Álvaro Corral Matute erfüllt seine Aufgaben als wandelnde Hochzeitsgesellschaften mit musikalischem Aplomb und Spielfreude.
Champagnerklang aus dem Graben: Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit dem Chef des Hauses Thomas Guggeis lässt keine Gelegenheit aus, die Partitur in alle Richtungen perlen und glänzen zu lassen. Jede Instrumentengruppe und nicht wenige Soli werden aus der Struktur der Partitur auf sinnfälligste Weise hörbar. Die Sänger werden liebevoll getragen. Und das bei aller Souveränität des Spiels: es werden ausgewogene tempi gewählt, kein Druck in irgendeine Richtung – das reine Mozartglück.
Das Publikum konnte seine Freude kaum fassen.
Copyright: Barbara Aumüller
Achim Dombrowski
24. September 2025 | Drucken
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