Camille Saint Saens Die Ahnin - Derber Familienzwist in hochromantischer Färbung

Xl_img_1464 © Jean Marc Turmus

Dreizehn Opern hat Camille Saint Saens geschrieben, nur eine, Samson und Delila, ist heute noch in den Spielplänen vertreten. Viel mehr ist er für seine Klavierkonzerte, seine Orgelsymphonie und Kammermusik bekannt. Zu Lebzeiten war er ein gefeierter Pianist und Organist. Ein Wunderkind, das schon mit fünf Jahren auftrat. Als Operkomponist erlebte er weniger Anerkennung. Die Theater Akademie August Everding in München greift nun das vorletzte Opernwerk des Franzosen auf und Studenten setzen an dem Werk Gelerntes und Können um. Kantig absonderlich ist die Geschichte, die der Librettist Lucien Auge de Lassus ausgesucht hat. Die Abgeschiedenheit der kargen zerklüfteten Insel Korsika mit seinen traditionsbehafteten in Clans organisierten Bewohnern inspierierte ihn und reizte ebenso den Komponisten, der dafür die Insel bereiste. Zwei verfeindete sich bekämpfende Familien, eine starrsinnige Alte, die Hass sät, ein mildtätiger Alter der Vernunft und Aussöhnung sucht, ein junges Liebespaar in den Fronten und eine eifersüchtige Nebenbuhlerin. Eine Konstellation, die man aus Opern fast typischer Weise kennt und auf den Inhalt schliessen lässt. Ein tragisches Ende ist vorprogrammiert und lässt sich mit Musik zumeist besser gestalten. 1905 beginnt er das Werk, sehr realistisch und bildhaft geht er an die Arbeit heran. Traditionell in der Romantik verhaftet und sich von den zeitgenössischen Entwicklungen abkoppelnd ist L' Ancetre sein Ausflug in den Verismo. Grosse Orchestermusik dominiert über weite Strecken. Breit, schwunghafte Melodien begleiten den melodienreichen Sprechgesang, durchkomponierte Arien fehlen. Symbolischen Bezug gibt es zu den Bienen im Libretto vor und deren Summen wird in die Musik aufgenommen. Eva Maria Höckmayr ist Absolventin der Theaterakademie und hat schon an verschiedenen Theatern Opern inszeniert und als Nachwuchskünstlerin Preise gewonnen. Sie übernimmt Regie und Bühnenbild dieser Neuproduktion. Karg und dunkel belässt sie die Bühne des Prinzregententheater, verdorrtes Laub und dunkle Erde schaffen eine zusätzliche düstere Stimmung. Über der Bühne hängen zahlreiche Kleider, stilistisch aus verschiedenen Epochen, die immer wieder ohne Bezug zur Handlung heruntergelassen werden. Mit Kostümbildnerin Julia Rösler hat sie bereits mehrmals zusammengearbeitet. Sie steckt den Chor, der die Familienmitglieder darstellt in ärmliche bäuerliche Kleidung, mit Kopftücher und Hüte, zumeist auf einen Stock gestützt. In ordentlichen Zweierreihen lässt die Regisseurin die Gesellschaft scheinbar ziellos herumstreifen. Bei ihren Einsatz nehmen sie wiederum wohlgeordnet frontal Aufstellung am Bühnenrand. Mehr Einfälle gelingen für die Protagonisten der Handlung. Der Eremit Raphael steckt in einem verwahrlosten Messgewand mit Tiara und Bischofsstab und huscht Unheilvolles ahnend über die Bühne. Stimmlich bleibt Jeong Meen Ahn dünn und kann seine tragende Rolle nicht ausfüllen. Der Tenor Thomas Kiechle ist Gast der Theaterakademie und gestaltet seinen Ziehsohn Tebaldo, der aus dem napoleonischen Krieg zurückkehrt. Er stammt aus der Familie der Pietra Nera und ist in Magarita verliebt, die ihrerseits Ziehtochter der verfeindeten Fabiani ist. Seine leichte Belcantostimme trägt schön die romantischen Melodien, meistert die Höhen zumeist mühelos und versucht viel Schmerz und Gefühl in seinen Ausdruck zu legen. Ein warmer Unterbau fehlt seiner Stimme in der Mittellage. Die Sopranistin Milena Bischoff steckt als Magarita wie ihre Ziehschwester Vanina in einer dunklen Schuluniform mit weisser Bluse. Auch Vanina gesungen von der Mezzosopranistin Celine Akcag ist in Tebaldo verliebt. Äusserlich und stimmlich wirken die beiden wie Zwillinge. Klare helle Töne, jugendlich frisch ausgesungen, überzeugen sie auch mit ihren darstellerischen Qualitäten. Die zentrale Aufmerksamkeit zieht Heike Götzinger als Gast in der Rolle der vom Hass verzehrten und verhärmten alten Nunziata, Ahnin der Fabiani. Scharf schneidet ihr Mezzo die vom Komponisten gross auskomponierten , bunten Orchesteruntermalungen und jede Gefühlserregung wird erstickt. Herzlos hetzt die Femme fatale nach dem unheilvollen Tod ihres Sohnes, unverschuldet von Tebaldo, die jungen Liebenden. In einer Verzweiflungstat erschiesst die fast Erblindete ihre Tochter Vanina. In einer Nebenrolle zeigt als Schweinehirte Bursica Damien Gastl sein Können mit seinem kräftigen Bariton. Die Dramatik kommt grossteils aus dem Orchestergraben, auf der Bühne zerfällt die Handlung spannungslos. Zuwenig Personenführung lässt keine Dichte auf der grossen leeren Bühne entstehen und die Bilder sind bis wenige Effekte nicht einprägsam. Die musikalische Leitung obliegt Mathias Foremny am Pult des Münchner Rundfunkorchesters. Routiniert der Partitur folgend wirkt sein Dirigat gezügelt in den Ausbrüchen und dramatischen Steigerungen. Realistisch zeichnet er die grossinstrumentierten Orchesterpassagen und versprüht veristische Klangfarben. Das Orchester spielt diszipliniert und gut vorbereitet. Am Ende viel Applaus und Anerkennung für die jungen Künstler, die sich sehr engagiert und mit Freude ihren Aufgaben gestellt haben. Camille Saint Saens L'Ancetre - Die Ahnin Premiere am 20.3.2019 Theaterakademie August Everding Dr. Helmut Pitsch

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading