Zwickau: eine märchenhafte Rusalka für die ganze Familie

Xl_2213ec68-ef6a-4af8-86b4-89696a2d4e4b © André Leischner

Antonín Dvořák RusalkaTheater Plauen-Zwickau Gewandhaus Zwickau

Premiere am 09.10.2022

Märchenhafte Rusalka für die ganze Familie

Insgesamt zehn Opern hat Antonin Dvorak komponiert. Nur eine davon ist außerhalb Tschechiens wirklich bekannt und im Repertoire verankert: Rusalka, die slawische Undine. In Tschechien ist sie neben der Verkauften Braut die Nationaloper des Landes und womöglich das meistgespielte Werk auf den Opernbühnen dieses Landes überhaupt.

Rusalka sehnt sich nach einem anderen Leben: sie will der Tiefe des Wassers entkommen und die Liebe der Menschen in der Person des Prinzen, der im Teich bei Ihr geschwommen ist, erfahren und leben. Ihr Vater, der Wassermann warnt sie. Die Hexe Ježibaba erfüllt ihren Wunsch. Doch wird sie bei den Menschen stumm bleiben müssen. Wenn die Liebe scheitert, wird sie den Tod des Prinzen bewirken sowie fortan in Einsamkeit zwischen allen Welten schweben. Rusalka ist so überzeugt von ihrer Liebe, dass sie dieser Bedingung zustimmt. Die Liebe scheitert. Der Prinz lässt sich von einer fremden Fürstin verführen. Als er wieder zu Rusalka zurückkehren will, muss er in ihren Armen sterben. Rusalka bleibt allein zurück.       

Das mit vielen mythologischen Verssatzstücken aus der europäischen Literatur arbeitende Libretto von Jaroslav Kvapil weist nicht wenige psychologische Bruchstellen auf. Diese Öffnungen gewissermaßen haben eine Vielzahl von Regisseuren in den letzten Jahren in hohem Maße zu unterschiedlichen, teils sehr unerwartet-kreativen, auch verstörenden Interpretationen angeregt. Umsetzungen zeigten Rusalkas als Inzestdrama in einer psychiatrischen Anstalt, stellten ihre Sehnsüchte im Vorraum eines Kinos dar oder hängten die Wassernixe – bzw. deren Sängerin – als Ausdruck ihrer Ängste gar an einen Angelhaken.    

In Zwickau, so nahe an den Landesgrenzen von Tschechien, müsste das Werk ja schon wegen der geographischen Nähe von Dvoraks Heimatland fast immer auf dem Spielplan stehen. 

Man hat jedoch eine gute Gelegenheit abgewartet: Das Gewandhaus Zwickau wurde zwischen 2016 bis 2021 für über EURO 21 Mio. saniert, mit modernster Technik ausgestattet und dem Theater Plauen Zwickau als Spielstätte neu zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig hat in dieser Spielzeit 2022/23 der Intendant Dirk Löschner die Leitung übernommen. Ihm zur Seite steht Horst Kupich als neuer Operndirektor und stellvertretender Intendant. Die Theatergemeinschaft Plauen Zwickau bietet insgesamt fünf Sparten: neben Musik- und Sprechtheater das Ballett, das Jugendtheater und den Konzertbereich. Zusätzlich gibt es in Zwickau auch ein unabhängiges Puppentheater.

Horst Kupich gibt mit der Rusalka seinen Einstand. Er arbeitet mit Christoph von Büren, der  für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich zeichnet. Von Büren ist auch mit den Traditionen des Figuren- und Puppentheaters vertraut, das in Tschechien und Polen heute noch einen angesehen Stellenwert besitzt.  Die Inszenierung entwickelt die Handlungsstränge mit nachvollziehbarer Klarheit. Dabei hält sie eine wunderbare Balance zwischen den Elementen der Märchenhaftigkeit und einem bodenständigen Humor, so steht am Hofe des Prinzen eine riesige Schale Kaviar, aus der sich die Sänger mit unterschiedlichem Glück und Geschick bedienen dürfen.    

Doch die nicht nur harmlose romantische Doppelbödigkeit bahnt sich ihren Weg auch in diese Produktion. Rusalkas Schwestern im Geiste, die Elfen, treten in dieser Produktion im zweiten Teil alle drei fröhlich und hochschwanger auf, bereits Babywäsche häkelnd. Als musikalisch-inhaltliche Deutung bietet sich eigentlich nur eine Verbindung mit dem Wassermann an – Inzest als eine in der europäischen Literatur und Musik verankerte Thematik, wie beispielsweise zuvor bereits in Wagners Walküre oder später in Thomas Manns Wälsungenblut. Aber ganz ohne Zweifel bleibt es bei einer Inszenierung für die ganze Familie, die auch bestens für Schulklassen geeignet erscheint.   

Die Rusalka von Małgorzata Pawłowska besticht durch ihre kindlich-weibliche Ausstrahlung, ihren schön geführte Sopran, nicht zuletzt in dem berührend vorgetragenen Lied an den Mond. 

Der Wassermann wird von dem litauisch-ukrainischen Bass Andrey Valiguras verkörpert. Der Sängerdarsteller vermag durch seine sehr einfühlsame gesanglich-musikalische Darstellung genau die richtige Balance zwischen Autorität und Mit-Leidensfähigkeit dieser Figur zu verkörpern.

Der Prinz wird von dem Koreaner Wonjong Lee mit fein-geführter Tenorstimme, die mit einem verführerischen Schmelz aufwarten kann, verkörpert. Lee hat ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen für die lyrischen Spannungsbögen der anspruchsvollen Partie.    

Die Rollen der Fremden Fürstin und die Hexe Ježibaba werden beide in der Premiere sehr streng und mit dominant-verführerischer Pose von Stephanie Atanasov verkörpert. Der Auftritt der Fürstin mit ihrem roten Fantasiekostüm besticht und die sicher geführte Stimme kann jedes männliche Verführungsoper einschüchtern. An manchen Stellen ist das Stimmvolumen allerdings eindeutig etwas zu groß.  

Zwischen den Welten der romantisch-verführerischen Wassertiefen und der kalten Pracht des Hofes gibt es auch eine irdisch-geerdete Ebene, in der die Angestellten des Prinzen, der Heger und der Küchenjunge vom Bariton Arvid Fagerfjäll und der Sopranistin Annika Westlund agieren. Diese beiden Nachwuchssänger bestechen nicht nur durch ihr schönes, sicher geführtes und unverbrauchtes Timbre, sondern empfehlen sich auch durch ihr ungezwungenes und komisches Spiel. Arvid Fagerfjäll als Bediensteter am Hof kann die ihn umgebenden Welten des albernen Adels und der irrealen Sphäre einer stummen Rusalka nur mit einer gehörigen Portion Schnaps ertragen. Er fällt erst einmal rückwärts auf die Bühne und weiß dennoch seinen souveränen Bariton immer klangschön und überzeugend einzusetzen.          

Der Opernchor des Theater Plauen-Zwickau unter der Leitung von Michael Konstantin wurde seinen Aufgaben bestens gerecht, hat sichtlich Spaß an seinen Aufgaben und brachte sich mit großer Spielfreude ein.

Die Clara-Schumann-Philharmoniker Plauen Zwickau mit seinem Chef Leo Siberski, der seit der Spielzeit 2017/18 dem Orchester vorsteht und so eine Konstante im Leitungsteam bildet, bringen die klangschöne Musik Dvoraks zwischen den vom Komponisten aufgegriffenen, modernen Techniken Wagners und der einfachen Volksliedform ausdrucksstark sowie mit viel Präzision und Schwung zur Geltung.  

Das Publikum des vollen Haus verfolgt die Vorstellung mit großer Konzentration und bedankt sich mit begeistertem Applaus und vielen bravi für die überzeugenden Leistungen. 

Achim Dombrowski

Copyright: André Leischner

 

 

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