Puccini am Film-Set in Hamburg

Xl_18_1096-1184.ohp_c_brinkhoff-moegenburg © Brinkhoff/Mögenburg

Il trittico

Giacomo Puccini

Hamburgische Staatsoper

Premiere am 15. März 2023  

besuchte Aufführung: 21. März 2023

Puccini hat in seinem 1918 in New York uraufgeführten Il trittico (Das Triptychon)  drei abgeschlossene Opern mit einer Spieldauer von jeweils einer Stunde zur Aufführung an einem Opernabend komponiert: Die Erbschleicher-Komödie Gianni Schicchi, die Eifersuchts-Mordtragödie der Il tabarro (Der Mantel)  und Suor Angelica (Schwester Angelica), die Tragödie einer Frau, die im Kloster den Tod ihres Sohnes erfahren muss und Selbstmord begeht. 

Im Laufe der Aufführungsgeschichte wurden die einzelnen Werke mit Opern anderer Komponisten kombiniert. In den letzten Jahrzehnten hat man zunehmend die von Puccini gewählte Dreier-Kombination inszeniert, allerdings mit wechselnder Reihenfolge. 

Den Regisseur Axel Ranisch überzeugen die drei unabhängig nebeneinander gestellten Werke jedoch nicht ganz. Er bevorzugt Opernerlebnisse mit eindeutigen, linear-abendfüllenden Handlungsverläufen. Dazu erfindet er die Geschichte einer erfolgreichen Filmschauspielerin Chiara de Tanti, deren Karriere und tragische private Lebensgeschichte in einer neu kreierten Rahmenhandlung verfolgt werden. Alle drei Werke spielen jeweils auf einem Film-Set, auf dem die Schauspielerin mitwirkt.

Das hat in dem zuerst gespielten Gianni Schicchi eine nur oberflächliche Berührung, intensiviert sich zunehmend und endet im letzten Teil, der Schwester Angelica, in einer Überschreibung der Handlung und ist mit der ursprünglichen Vorlage nur noch bildhaft verbunden, indem die Protagonistin die klassische Tracht einer Nonne trägt, aber die ausschlaggebende Nachricht vom Tode ihres Sohnes aus ihrem Privatleben durchlebt. 

Die Konzeption macht filmisch in sich und für sich allein grundsätzlich Sinn, sie entspricht inhaltlich dem äußerlichen Handlungs- und Emotionsgehalt der Opern. Sie folgt dabei einer dezidierten Filmästhetik und arbeitet mit überwiegend außerordentlich ausdrucksstarken – oft prominenten - Schauspielern und Schauspielerinnen sowie weiteren Personen aus der Szene der Filmschaffenden, die sich zur verstorbenen, fiktiven Person der Schauspielerkollegin mit ihrer jeweils eigenen Emotionalität äußern. Die Unterschiedlichkeit der mitwirkenden Charaktere steigert die Intensität noch. Sie werden dreimal auf einer Leinwand, die das gesamte Bühnenportal ausfüllt, mit riesigen Portraitaufnahmen im Interview gezeigt.   

Zum jeweiligen Beginn der Opern verschwindet die Leinwand und das Auge muss sich auf die relativ kleinen Sängerdarsteller der realen Bühne umstellen. Deren hohe musikalische Qualität macht das möglich. 

Eine innere Notwendigkeit im Sinne einer Erkenntnis- oder Emotionserweiterung im Hinblick auf die Puccini-Opern ist nicht erkennbar. Noch in der dritten Vorstellung seit der Premiere gibt es gelegentliche Missmuts Äußerungen aus dem Publikum. Erstaunlich, wenn man bedenkt, was auch die Opernregie dem Zuschauer in den letzten Jahrzehnten zugemutet hat. Aber vielleicht will sich ein Zuschauer heute auch von noch so beliebten Schauspielern keine phantasierten Zusammenhänge auf der Opernbühne zum eigenen, besseren Verständnis mehr erklären lassen.    

Auf der Bühne gibt es keinerlei Personenführung. Die Auftritte der Sängerdarsteller wirken, als ob sie musikalisch glänzend vorbereitet die erste Probe betreten und je nach Erfahrung und persönlichem Charakter darstellerisch etwas anbieten, teilweise sehr sympathisch. Der Regisseur mochte ihnen danach wohl nicht mehr nähertreten, bzw. eine glaubhafte Probenatmosphäre auf dem jeweiligen Film-Set zeigen. Die Opern wirken so ein wenig wie Staffage zum Stationendrama der imaginierten Schauspielerin. 

Möglicherweise kann man zur Laufzeit der Produktion in der Staatsoper Hamburg die Idee umkehren, indem man eine Aufführung per Video festhält und eine Art Opernfilm daraus kreiert - vielleicht passen dann die Gewichte wieder besser zueinander.      

Musikalisch war die Welt eine ganz andere: pünktlich zu den italienischen Opernwochen hat die Staatsoper ein veritables Ensemble zusammen geführt:  Elena Guseva steht darstellerisch und gesanglich auf sicherem Grund. Sie verkörpert die tragischen Figuren der Giorgetta sowie Suor Angelica glaubhaft und in souveräner stimmlicher Differenzierung.      

Roberto Frontali reüssiert in der düsteren Partie des verzweifelten, eifersuchts-getriebenen  Michele im Manteldeutlich eindrucksvoller als in der Komödianten-Rolle des Gianni Schicchi. 

Narea Son tritt in zwei Werken des Abends auf. Sie kann als Lauretta in der bekannten Arie O mio babbino caro mit anrührendem Sopran, jedoch ohne die Kitschgrenze zu überschreiten, überzeugend punkten. 

Najmiddin Mavlyanov als heimlicher Liebhaber Giorgettas im Mantel bringt einen wohl-dosierten, verführerischen Tenorschmelz bei glänzend kontrollierter Stimmführung ein, der nicht nur vor dem Hintergrund der aussichtslos-trostlosen Atmosphäre des Stücks bewegt und anrührt.     

Katja Pieweck überzeugt gleich dreimal während des Abends, mit der Darstellung der unerbittlichen Tante der Angelica als darstellerischem und gesanglichem Höhepunkt.    

Der Chor der Staatsoper Hamburg unter der bewährten Leitung von Eberhard Friedrich sowie der Kinder- und Jugendchor mit Luiz de Godoy präsentieren sich klangschön und mit viel Spielfreude.  

Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg mit Giampaolo Bisanti am Pult überzeugt mit fein abgestuften rhythmischen und farblichen Details für die von Puccini sehr unterschiedliche und anspruchsvolle Farbgebung seiner drei Werke sowie einem stupenden Einfühlungsvermögen für die Sängerdarsteller.    

Viel Beifall für das große Ensemble auf der Bühne und die Philharmoniker mit Giampaolo Bisanti. 

Achim Dombrowski

 

Copyright: Brinkhoff/Mögenburg

 

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